Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman
geschmeidig und wirkten mühelos. Er schien entspannt, doch seine Füße waren nicht geschlossen und seine Knie leicht gebeugt. Seine Miene verriet keine Regung, und sein Blick nahm alles um ihn herum auf. Kiyoko fiel es nicht schwer, sich den Mann mit einer Waffe in der Hand vorzustellen, während er Feind um Feind niedermetzelte.
»Was schlagen Sie vor?«, fragte sie Ryuji. Watanabe war seit weniger als drei Monaten Generaldirektor der Firma, und der Nachfolger ihres Vaters hatte nichts Zögerliches an sich. Es war hart mitanzusehen, wie jemand anders mit neuen Ideen am Stempel ihres Vaters radierte, doch Watanabes natürliche Autorität und seine profitorientierten Motive machten den Wandel erträglich.
»Erlauben Sie mir, ihn fortzuschicken. Ich habe Übung im Umgang mit Amerikanern und kann, wie sie es ausdrücken würden, recht unverblümt sein.«
Ryuji hatte in Harvard Wirtschaftswissenschaften studiert. Kiyoko zweifelte nicht daran, dass er die Amerikaner kannte. Aber es widerstrebte ihr, diesen Murdoch-san einfach abzuweisen, ohne dass sie allerdings hätte sagen können, warum. »Wenn sie in die Ecke gedrängt werden, gehen viele Amerikaner ihrerseits zum Angriff über.«
Ryuji pflichtete ihr bei: »Man muss schon ein Händchen haben, um mit ihnen fertig zu werden.«
Das hatte ihr Generaldirektor zweifellos. Kiyoko seufzte. Um ehrlich zu sein, verursachte ihr Murdochs Anwesenheit leichtes Unbehagen. »Wenn Sie ihn dazu überreden könnten zu gehen, wäre ich Ihnen sehr dankbar, Watanabe-san.«
Ryuji nickte und verließ den Raum.
Nur wenige Augenblicke später tauchte er vor der Kameralinse auf und steuerte mit großen Schritten durch die marmorne Lobby auf Murdoch zu. Die beiden Männer hätten unterschiedlicher nicht sein können – Murdoch war einen guten Kopf größer als Ryuji und um einige Kilos schwerer.
Kiyoko lächelte.
Das konnte noch interessant werden.
Murdoch hatte den Platz abgelehnt, den ihm die uniformierte Frau hinter der massiven Empfangstheke angeboten hatte. Er zog es vor zu stehen, auch wenn er darauf hingewiesen worden war, dass er vielleicht lange würde warten müssen. Alte Angewohnheiten wurde man so schnell nicht los. Auf den Füßen hatte er mehr Möglichkeiten. Er warf Blicke in die Glasvitrinen in der Mitte der Lobby, während er wartete, und merkte sich jede Person, die vorüberging.
Der japanische Geschäftsmann in dem grauen Anzug erregte in dem Moment seine Aufmerksamkeit, als er aus dem Aufzug trat. Seinen Schritten wohnte eine stahlharte Entschlossenheit und seiner Kopfhaltung eine Selbstsicherheit inne, die ihn sofort von den anderen Männern in der Lobby unterschieden. Der Kerl stank geradezu danach, wichtig zu sein.
Als der Bursche ihn anlächelte und seine Hand zu einer Begrüßung ausstreckte, wie man sie in Nordamerika pflegte, erwiderte Murdoch das Lächeln. Das Warten war vorüber.
»Mr Murdoch, welche Freude, Sie kennenzulernen«, sagte der Mann, als ihre Hände ineinandergriffen. Kein schlaffer Händedruck. »Ich bin Ryuji Watanabe, der Generaldirektor der Ashida Corporation.«
Murdoch runzelte die Stirn.
Generaldirektoren in Tausend-Dollar-Anzügen kamen normalerweise nicht in die Lobby, um Fremde zu begrüßen. Sie schickten ihre Sekretärinnen. Oder andere Lakaien. Es sei denn, sie hatten nicht die Absicht, besagten Fremden Zugang zum Allerheiligsten zu gewähren.
»Ich hatte um einen Termin mit Kiyoko Ashida gebeten«, erwiderte Murdoch.
Watanabe lächelte bedauernd. »Sie wurden sicherlich bereits davon in Kenntnis gesetzt, dass sie äußerst beschäftigt ist. Ich bin heruntergekommen, um Ihnen eine stundenlange Wartezeit zu ersparen. Sie wird Sie nicht empfangen.«
Er kam ohne Umschweife zur Sache, schien aber durchaus wohlwollend, was vermuten ließ, dass er freundlich sein wollte.
»Überhaupt nicht?«
»Daran sind Ihre Referenzen schuld, fürchte ich.«
Die einzige Referenz, auf die er sich berufen hatte, war seine Verbindung zu Lena Sharpe gewesen. Was den Schluss zuließ, dass Lena für Miss Ashida eine Persona non grata war – entgegen Lenas Behauptung, sie seien langjährige Freundinnen. »Ich verstehe.«
»Es wird wohl das Beste sein, wenn Sie gehen.«
Watanabes Lächeln wirkte ehrlich betrübt. Der Mann war nichts weiter als höflich. Aus irgendeinem Grund fühlte sich Murdoch ihm jedoch unterlegen. Vielleicht war daran der subtile Geruch des Geldes schuld, der ihn umwehte – und Murdoch nur zu sehr an Brian Webster
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