Zaertliche Brandung - Roman
würden Sie angegriffen.«
»Tja … Richard wollte Streit anfangen, und ich habe versucht, ihm zu entkommen. Er hat mir vorgeworfen, ich würde meine Schwester zur Scheidung drängen.«
»Tun Sie das?«
»Nun … ja. Aber ich weiß nicht, wie Richard dahintergekommen ist. Ich bin sehr behutsam vorgegangen.«
»Warum wollen Sie, dass sie sich scheiden lässt?«
»Weil er ein Ekel ist.«
»Was soll der Wirbel?«, fragte Jesse, der eben aus dem linken Flügel des Hauses kam.
»Nur ein kleines Missverständnis«, sagte Ben. Er
drehte Willa zum Gästeflügel um und versetzte ihr einen kleinen Schubs.
»Ziehen Sie sich um. Wir werden Richard verabschieden. Komm, Jesse. Wir wollen Sam beim Saubermachen helfen.«
Willa ging schweigend in ihr Zimmer, als sie wieder den stählernen Ton in Bens Stimme hörte. Sie war an dem Tag im Sitzungszimmer billig davongekommen. Die Sinclair-Männer waren genauso unnachgiebig, wie Abram angedeutet hatte. Ihr aber waren sie höflich begegnet, aufmerksam, neugierig und einfühlsam. Ben hatte am Tag zuvor auf der Shopping-Expedition als sehr zuvorkommender Begleiter fungiert, und Jesse hatte sie trotz der Trauerstimmung im Haus am vergangenen Abend tatsächlich mit Geschichten von ihren Lausbubenstreichen zum Lachen gebracht. Und von dem vorvorgestrigen Kuss im Hotel abgesehen hatte Sam sich als vollendeter Gentleman betragen.
Irgendwie. Die meiste Zeit über.
Willa wusste nun, was Abram ihr zu erklären versucht hatte, ohne es direkt auszusprechen. Die Höflichkeit, die alle drei Enkelsöhne auszeichnete, war wie eine dünne Schicht, die zuweilen riss, wie jetzt eben, als Sam glaubte, Richard würde sie angreifen.
Heute Morgen hatte sie zwei sehr wichtige Dinge gelernt. Erstens, Sam Sinclair war kein Mann, dessen Zorn sie auf sich ziehen wollte. Und zweitens, er hatte eine absolut großartige Brust.
»Abram Sinclair, du altes Schlitzohr. Du hast versprochen zu warten, bis ich zurückkomme.«
Sam erstarrte, als er Willas Stimme hörte. Er saß in einem hochlehnigen Sessel, den er zum Fenster umgedreht hatte. Seine Füße ruhten auf dem Fensterbrett. Es war ein trüber Regentag Ende Mai. Man hatte Feuer im Kamin gemacht, zwei Lichter brannten über Abram, der friedlich in seinem eigenen wundersamen Werk aus solidem Kirschholz mit tannengrüner Innenverkleidung lag.
Sam, der mit dem Sarg im Rücken dagesessen und still seinen Gedanken nachgehangen hatte, konnte den ganzen Raum im regennassen Fenster gespiegelt sehen. Willa war mit einem großen Frühlingsblumenstrauß, den sie im Garten gemaust hatte, eingetreten; sie hatte auch einen Lappen und etwas bei sich, das er für Wachspolitur hielt.
»Wir hatten ein Abkommen«, fuhr Willa fort. Sam beobachtete in der Fensterscheibe, wie sie die Blumen auf einem Tisch abstellte und zu Bram ging.
»Ich habe versprochen herzukommen und deine Drecksarbeit zu machen, und du hast versprochen, dass ich bei dir sein dürfe, wenn es so weit ist. Abram, du hast mich ausgetrickst. Du hast es so geplant«, klagte sie ihn an.
Willa streckte die Hand aus und strich leicht über Brams Wange. Sam konnte ihr Gesicht nicht sehen, doch hätte er gewettet, dass sie unter Tränen lächelte.
Ihre Stimme bestätigte seine Vermutung.
»Du siehst verdammt gut aus, Abram. Jede Wette, dass der Bestattungsunternehmer von dir genau instruiert wurde, er solle dich lächeln lassen. Deine Enkel sind Spitzbuben«, fuhr sie fort und berührte Abrams Haar.
»Durch und durch … bis hin zu ihrem arroganten Lächeln. Die Äpfel sind da nicht weit vom Stamm gefallen. «
»Es tut mir leid, dass du mit Richard als Begleitung heimgekehrt bist, aber deine Enkel haben ihn hinauskomplimentiert. Abram, du hättest heute Morgen Sam sehen sollen. Er hat mich doch tatsächlich gerettet.« Sie lockerte Brams Schlips.
»Noch nie im Leben wurde ich gerettet.«
Willa hatte vermutlich keine Ahnung, dass Bram mit ihrer Rettung im Moment ihrer Begegnung begonnen hatte, wie Sam sich gut vorstellen konnte.
Es musste das Los der Sinclairs sein, Willas Drachen zu bezwingen – welcher Art diese auch sein mochten. Sam wusste, dass es für sie Drachen gab, und er wusste auch, dass Bram diese Tatsache sofort erkannt hatte. Er wünschte nur, sein Großvater hätte ihm eine Andeutung darüber hinterlassen, um welche Drachen es sich handelte.
Willa steckte heute in abgetragenen Jeans und einem übergroßen Sweatshirt. Ihr Haar war wieder einmal dem Clip entschlüpft und ringelte sich in
Weitere Kostenlose Bücher