Zaertliche Brandung - Roman
Spiel gehabt haben. Willa sah richtig schick aus. Vielleicht sogar umwerfend.
Das dem Anlass gemäße schwarze Kleid war schlicht geschnitten und brachte ihre Kurven dezent zur Geltung. Ihr einziger Schmuck war eine kleine Kamee, die Sam erkannte. Sie hatte einmal Grammy Rose gehört. Bram musste sie Willa geschenkt haben.
Der alte Fuchs hatte eine neue Sinclair-Braut erwählt.
Aber würde diese Braut freiwillig vor den Traualtar treten, oder würde sie wild um sich treten und schreien, während man sie in die Kirche schleppte?
Sam hatte Spencer schließlich mit sanftem Zwang dazu gebracht, ihm das Testament vorab zu zeigen. Morgen sollte nach der Beerdigung die offizielle Testamentseröffnung stattfinden. Dann würde das Dach von Rosebriar abheben, denn wenn seine Brüder es nicht in die Luft schickten, würde Willa es ganz gewiss tun.
Nachdem er Brams letzten Willen gelesen hatte, hatte Sam mehr als zwei Stunden wie betäubt stumm dagesessen. Voller Bewunderung für den Verstand des Fünfundachtzigjährigen. Er hoffte nur, ebenso klar bei Verstand zu sein, wenn er dieses Alter erreichte – vorausgesetzt, er überlebte den morgigen Tag.
»Die Leute werden gleich kommen«, sagte Willa und riss Sam aus seinen Gedanken.
»Ich will mal nachsehen, wie es Peg mit der Arbeit geht.«
»Peg ist seit zwanzig Jahren unsere Haushälterin«, sagte Jesse und fasste nach ihrem Arm, ehe sie gehen konnte.
»Glauben Sie mir, die Frau hat mehr Leute empfangen als der Papst.«
»Aber Abrams Tod hat sie schwer getroffen«, sagte Willa, »und ich kenne von den Gästen ohnehin niemanden. In der Küche bin ich besser aufgehoben.«
»Alle Verwaltungsratsmitglieder werden da sein«, eröffnete Sam ihr mit schlecht verhohlener Freude.
»Möchten Sie sie nicht sehen?«
Sie warf ihm einen unwilligen Blick zu.
»Eigentlich nicht.«
»Wenn Sie hilfreich sein wollen, dann werden Sie uns nicht verlassen«, sagte Ben mit übertriebenem Schmollen.
»Wir brauchen Ihre Unterstützung.«
Willa versuchte ein Schnauben zu unterdrücken, als sie Ben anblickte.
»Wenn man bedenkt, dass ich Sie zum Vorsitzenden wählen wollte.«
Emerson trat ein und kündigte den ersten Gast an. Sam fasste nach Willas Ellbogen und geleitete sie ungeachtet ihres Widerstandes in die Halle. Flankiert von Ben und Jesse war für sie ein Entkommen unmöglich.
»Emerson sieht aus, als wäre er einem alten Schauerroman entsprungen«, bemerkte Willa, die beobachtete, wie der Butler Mäntel, Hüte und Schirme in Empfang nahm.
»Er sieht älter aus als Abram.«
»Er hat seinen einundsechzigsten Geburtstag hinter sich.«
»Dann hat er sein weißes Haar dem Zusammenleben mit den Sinclairs zu verdanken«, gab sie zurück und versuchte wieder, sich von ihm loszumachen.
»Wenn Sie mit dem Gezappel nicht aufhören, werde ich Sie wieder küssen«, sagte Sam und beugte sich über sie.
»Vermutlich brauchen Sie die Übung«, sagte sie gedehnt.
Das war der Anfang von Brams Beerdigung. Freunde, Feinde, Geschäftspartner und ausländische Würdenträger schritten an Brams schönem Sarg und lächelndem Gesicht vorüber; das Defilee dauerte vier Stunden.
Willa hielt es fast drei Stunden aus.
Inzwischen hatte ihr Haar sich wieder selbstständig gemacht, eine kleine Laufmasche verunzierte einen ihrer Strümpfe, und sie hatte Tee auf ihr Kleid verschüttet. Ihr gezwungenes Lächeln war dahin, ihre Schultern hingen müde herunter. Sam brachte sie ins Büro, setzte sie vor das lodernde Feuer, zog ihr die Schuhe aus und stützte ihre Füße auf einen Schemel. Dann drückte er ihr ein volles Glas Johnnie Walker Black in die Hand, riet ihr, sich zu entspannen und sagte auch noch, dass sie ihr sobald als möglich Gesellschaft leisten würden.
Eine Stunde später betraten die drei Brüder das Büro mit dem verzweifelten Bedürfnis nach einem Drink.
»Ich habe versucht, aus diesem Raum klug zu werden«, sagte Willa, als sie Sam ihr Glas zum Nachfüllen hinhielt.
Als Sam zur Flasche griff, entging ihm nicht, dass sie sich schon mehrmals nachgeschenkt hatte.
»Was ist mit diesem Raum?«, fragte Jesse.
»Warum stehen in Brams Büro vier Schreibtische?«
»Weil wir zu viert hier arbeiten«, erklärte Ben, setzte sich ihr gegenüber und nahm sofort seinen Schlips ab.
»Dieser Raum ist größer als mein ganzes Haus. Herrgott, die Schreibtische sind größer als mein Wagen.«
Willamina Kent hatte einen kleinen Schwips. Noch sprach sie deutlich, aber ihre Augen glänzten, und
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