Zaertliche Brandung - Roman
kaufen wollen.
Willa schaltete die Schreibtischlampe aus und tauchte ihr Büro in Dunkelheit. Sie war auch nicht mehr dazugekommen, Jennifer Fahrstunden zu geben, da ihre Nichte erklärt hatte, Sam wäre ein hervorragender Lehrer.
Nun, wenn das Mädchen Sams wegen ausflippte, war es ihr Problem. Willa hatte diesen Punkt überwunden. Samuel Sinclair war einfach ein typischer Mann mit gewissen Absichten, und wenn Shelby und Jennifer und Emmett das nicht sehen konnten, dann … dann war es auch deren Problem. Sie hatte es ohnehin satt
bis oben, ständig an sie zu denken. Vielleicht würde es allen guttun, eine Lektion darüber zu bekommen, wie man sich selbst aus dem Schlamassel heraushilft.
Sie machte wieder Licht, griff zum Telefonhörer und wählte Emmetts Nummer.
»Hallo«, meldete Emmett sich nach dem dritten Läuten.
»Hi, Em. Ich wollte nur sagen, du sollst dir keine Sorgen machen, wenn du morgen die RoseWind nicht an ihrem Ankerplatz siehst. Ich möchte ein paar Tage segeln gehen.«
»Also, Willy, das wird wohl nicht gehen, weil der halbe Anstrich ab ist. Vor fünf Tagen habe ich sie ins Trockendock zum Anstreichen geschafft.«
»Du hast was? Das habe ich dir nicht aufgetragen.«
»Nein, Sam war es. Er hat gesagt, sie sollte ohnehin überholt werden. Er wollte, dass ich auch alle Winschen nachsehe.«
»Die RoseWind gehört nicht Sam, sondern mir!«
»Die Klüverwinsch klemmt, habe ich festgestellt«, fuhr Emmett fort und ignorierte ihren Temperamentsausbruch.
»Außerdem habe ich gesehen, dass aus dem Kiel ein großes Stück herausgerissen wurde. Du musst doch bemerkt haben, dass der Rumpf vibriert. Warum hast du es mir nach dem Einlaufen nicht gesagt?«
»So groß kann das fehlende Stück nicht sein. Das Boot ist tadellos gelaufen. Du hast es tatsächlich ins
Trockendock geschafft, ohne mich zu fragen, ob es mir recht ist?«
»Für die nächsten Tage ist ohnehin schlechtes Wetter vorausgesagt«, antwortete Emmett.
»Sag mal, hast du Sam in letzter Zeit gesprochen?«
»Nein, glücklicherweise nicht.« Sie griff nach ihrem Stift und zeichnete willkürlich auf ihrem Skizzenblock herum.
»Hm … warum? Das klingt, als würde etwas nicht stimmen. Sind seine Brüder okay?«
»Soviel ich weiß, geht es ihnen gut. Sorgen macht mir Sam. Hast du ihn irgendwann gesehen?«
»Nur von Weitem.« Sie richtete sich auf.
»Warum?«
Am anderen Ende der Leitung trat eine kleine Pause ein.
»Er ist nicht mehr derselbe Mensch, der hier vor zwei Wochen angekommen ist, Willa.«
»Wie das?«
»So voller blauer Flecken und Verletzungen er war, wirkte Sam trotzdem … eindrucksvoll … wenn du weißt, was ich meine.«
»Und jetzt nicht mehr? Was willst du damit sagen, Emmett?«
Ein schwerer Seufzer kam über die Leitung.
»Ich könnte nicht meinen Finger drauflegen. Ich weiß nur, dass Sam sich in letzter Zeit sonderbar benimmt. «
»Verglichen womit? Du kennst ihn ja erst seit zwei Wochen.«
»Na ja, niedergeschlagen eben«, knurrte er.
»Mit einem Wort … Sam wirkt depressiv.«
»Aber wie äußert sich das? Schläft er den ganzen Tag? Liegt er auf der Couch, guckt ständig in die Röhre und verschlingt Junkfood? Was denn nun?«
»Na ja, essen tut er sehr viel. Er hat zugenommen.«
»Das ist keine Depression, das ist pure Gier.«
»Er ist losgefahren und hat sich einen Haufen Flanellhemden gekauft, und die steckt er sich nicht mal in den Bund.«
»Ach, um …«
»Und er geht fast jeden Morgen ins Café.« Er senkte die Stimme.
»Du weißt ja, wie depressiv einen die Typen dort machen können.«
Nun regte sich Besorgnis bei Willa.
»Hast du versucht, mit ihm zu reden, Emmett? Vielleicht solltest du einfach damit herausrücken und ihn fragen, was ihn bedrückt?«
»Das steht mir nicht zu.«
»Willst du damit sagen, es wäre meine Sache? Seit wann bin ich Sams Babysitter?«
»Willamina, du bist in diesen Dingen einfach besser.«
»Vielleicht kommt ihm jetzt erst Abrams Tod richtig zu Bewusstsein. Vielleicht trauert er. Weißt du noch, wie es dir nach Gretchens Tod ging? Der Kummer trifft
jeden anders, und wie lange jemand braucht, um ihn zu überwinden, ist individuell verschieden. Abram war für Sam wie ein Vater.«
Wieder war ein schwerer Seufzer zu hören.
»Wahrscheinlich hast du recht. Vermutlich ist ihm nur klar geworden, dass er und seine Brüder nun ganz allein auf der Welt stehen.«
»Du könntest ihm zumindest vorschlagen, er solle nicht mehr ins Café gehen«, sagte Willa.
»Sicher
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