Zaertliche Eroberung im Herrenhaus
verschiedenen Orten gelebt, vor allem im Ausland.“
„Dann stehen Sie und Beth sich wohl sehr nahe?“, fragte Sophia.
Beths Unterstellung, Jarrett suche Sophias Nähe nur, weil er auf das Gutshaus aus war, hatte ihn sehr getroffen. Dennoch wollte er nicht abstreiten, wie innig die Beziehung zu seiner Schwester war. „Ja. Wir haben unsere Eltern als Teenager verloren. So etwas schweißt Geschwister natürlich zusammen. Beth ist ein paar Jahre älter als ich und hat es damals wohl als ihre Aufgabe empfunden, auf mich aufzupassen“, erzählte er. „Und obwohl ich mittlerweile sechsunddreißig bin und schon ziemlich lange eigenständig, verfällt sie manchmal noch immer in diese Rolle.“
„Sind Sie aus dem Ausland zurückgekommen, um in Beths Nähe zu sein?“
„Vielleicht“, gab Jarrett widerstrebend zu, der nicht wollte, dass Sophia dachte, er wäre auf seine Schwester angewiesen. „Die meisten Menschen sehnen sich ja nach etwas Vertrautem, einem Ort, an dem sie sich vorbehaltlos angenommen fühlen.“
„So etwas wie ein Zuhause?“, fragte sie leise und schloss die kleinen, wohlgeformten Hände um ihren leuchtend gelben Becher, als wolle sie ihre Gefühle zurückhalten.
„Genau.“ Instinktiv spürte Jarrett, dass Sophia mit den Gedanken wieder in der Vergangenheit war. Vielleicht bei den Ereignissen, die dazu geführt hatten, dass sie nach High Ridge Hall gezogen war, um dort ein neues Leben anzufangen und ihren Sohn allein aufzuziehen.
Als sie ihn ansah, spiegelte sich in ihren grünen Augen tiefer Schmerz. Zu gern hätte Jarrett sie getröstet, doch er wollte sie nicht überfordern oder abschrecken. Also wartete er einfach geduldig ab, bis sie schließlich weitersprach.
„Ich möchte für Charlie und mich hier ein Zuhause schaffen“, sagte sie ein wenig wehmütig. „Aber ich weiß nicht, ob ich das hinkriegen werde.“
„Warum denn nicht?“
„Das Haus ist riesig und die Verantwortung so erdrückend … Sie haben ja schon einen kleinen Eindruck davon bekommen, wie viel Arbeit notwendig sein wird. Und Sie haben bisher nur das Erdgeschoss und den Garten gesehen. Oben sind noch acht weitere Zimmer!“ Sophia seufzte. „Dank Großtante Mary bin ich nun zwar die Besitzerin des Anwesens, aber das heißt noch lange nicht, dass ich mir die laufenden Kosten auch leisten kann.“
„Verdienen Sie mit Ihren Fotos nicht genug?“, fragte Jarrett.
„Nein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich baue mir meine Selbstständigkeit gerade erst auf, nachdem ich mich sehr lange nicht mit meiner Arbeit befassen konnte. Dank einiger alter Kontakte habe ich ein paar möglicherweise lukrative Aufträge bekommen. Aber das reicht bei Weitem nicht, um sich entspannt zurückzulehnen.“
Er runzelte verwundert die Stirn. „Hat Ihr verstorbener Mann denn nicht für Sie und Charlie vorgesorgt? Vielleicht mit einer Lebensversicherung?“
Errötend senkte Sophia den Blick. „Nein.“ Als sie ihn wieder ansah, merkte Jarrett, dass die alten Erinnerungen ihr noch immer sehr zusetzten. „Er hat immer nur für sich selbst gesorgt.“
„Das tut mir leid.“
„Mein Traum ist es zwar, mein restliches Leben in diesem wunderschönen Haus zu verbringen, aber vielleicht sollte ich etwas realistischer sein“, fuhr sie fort. „Vielleicht sollte ich es verkaufen und etwas Kleineres suchen, das besser für Charlie und mich geeignet ist.“
Als Jarrett das hörte, schlug sein Herz heftig. Doch nun, da sich plötzlich die Chance bot, Sophia ein Angebot für High Ridge Hall zu machen – das Haus, von dem er schon so lange träumte –, stellte er plötzlich fest, dass er nicht dazu imstande war. Denn sie sehnte sich ganz klar nach einem Zufluchtsort, an dem sie sich nach den bitteren Erlebnissen in der Vergangenheit geborgen fühlen konnte. Und dieser Zufluchtsort war momentan das alte Herrenhaus, das sich schon so lange im Besitz ihrer Familie befand. Diese Verbindung vermittelte ihr sicher das Gefühl, hierher zu gehören. Und das war für Charlie und sie unglaublich wichtig.
Auch er, Jarrett, hatte sich wegen der familiären Bindungen hier niedergelassen: um in der Nähe seiner Schwester zu sein. Denn sonst gab es niemanden, den es kümmerte, ob es ihm gut ging oder nicht. Und obwohl sie gelegentlich sehr unterschiedlicher Meinung waren – und trotz Beths nicht gerade schmeichelhafter Unterstellungen hinsichtlich seiner Absichten –, war Jarrett fest davon überzeugt, dass Familie sehr bedeutsam war.
Sollten
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