Zaertliche Eroberung im Herrenhaus
meinte. David wurde ein wenig blass und ließ die Hände sinken.
„Es tut mir wirklich leid, Soph. Ich hätte versuchen müssen, dich und Charlie von diesem Schwein wegzubringen, lange bevor er gestorben ist.“
„Bitte mach dir keine Vorwürfe deswegen“, sagte sie eindringlich. „Ich weiß doch, dass du die ganze Zeit an uns gedacht hast. Die Situation war ein einziger Albtraum, für den es keine einfache Lösung gab. Natürlich hättest du mehr für uns getan, wenn du gekonnt hättest. Doch das ging nun einmal nicht. Außerdem musstest du an deine Frau und dein Kind denken. Und Tom war ja auch sehr rachsüchtig. Ich hätte niemals gewollt, dass du dich oder deine Familie auf irgendeine Weise in Gefahr bringst. Und jetzt lass uns nicht mehr darüber reden.“
Sie legte die Hand auf seinen Arm in der weichen Wildlederjacke und drückte ihn sanft. „Lass uns lieber unser erstes Wiedersehen genießen. Endlich können wir uns wieder wie normale Geschwister verhalten und uns treffen, wann immer wir wollen!“
Tom strich sich mit den Fingern durch das kurze helle Haar, das seine markanten Züge betonte. Ein wenig unsicher sah er Sophia an, als überlegte er, womit er den Schmerz ihrer Erinnerungen mildern könne. „Ist gut“, sagte er dann. „Ich möchte nur, dass du dich endlich so sicher und geborgen fühlst, wie du es schon lange verdienst. Erzähl mir doch mal, wie es dir und Charlie geht. Wo ist er denn überhaupt?“
„Im Garten“, erwiderte Sophia. „Dort verbringt er fast den ganzen Tag, wenn das Wetter es zulässt. Ich rufe ihn gleich herein, damit er dich begrüßen kann.“
„Solange es ihm gut geht und er zufrieden ist … das ist doch die Hauptsache“, meinte David. „Das Haus ist so groß, dass es ihm sicher fast wie ein Schloss vorkommen muss! Du hast dir ja allerhand vorgenommen, wenn du vorhast, es zu renovieren.“
„Das ist wohl die Untertreibung des Jahres“, meinte Sophia lächelnd. Dann runzelte sie die Stirn, weil ihr etwas eingefallen war, das sie eigentlich schon ansprechen wollte, seit sie das Haus geerbt hatte. „Hat es dich eigentlich sehr gekränkt, dass Großtante Mary High Ridge Hall mir vermacht hat und nicht uns beiden?“
„Ob es mich gekränkt hat?“, wiederholte ihr Bruder und schüttelte ungläubig den Kopf. „Das meinst du doch wohl nicht ernst? Natürlich nicht – ich habe mich total für dich gefreut! Besonders, da ich wusste, dass dieser Nichtsnutz von einem Ehemann euch praktisch mittellos zurückgelassen hat und ihr euer Haus verkaufen musstet, um seine Schulden abzuzahlen.“ Er fügte hinzu: „Ich selbst besaß ja schon ein eigenes Haus und hatte ein gutes Einkommen. Nein, ich habe mich sehr gefreut, dass das Schicksal es endlich einmal gut mit dir meinte.“
Sophia, die sich wegen dieser Angelegenheit viele Gedanken gemacht hatte, war unendlich erleichtert. „Danke schön“, sagte sie. „Ich hätte es nicht ertragen, wenn du es mir übel genommen hättest. Und um deine Frage von eben zu beantworten: Charlie geht es gut. In ein paar Wochen kommt er auf seine hiesige Schule, und er freut sich schon darauf, dann neue Freunde kennenzulernen. Mir geht es auch nicht schlecht, obwohl ich immer noch ein wenig das Gefühl habe, nach einer langen Haftstrafe aus dem Gefängnis entlassen worden zu sein. Und wie geht es Lindsay und Oscar?“
„Oscar führt sich mit seinen sieben Jahren wie ein Sechzehnjähriger auf“, erwiderte David trocken. „Und nach seinen Trotzphasen zu urteilen, werden Lindsay und ich alle Hände voll zu tun haben, wenn er erst einmal im Teenageralter ist.“
„Komm, gehen wir in die Küche, dann können wir uns bei einer Tasse Tee weiter unterhalten“, schlug Sophia vor. „Ich wollte demnächst für Charlie und mich Mittagessen machen, nur etwas ganz Einfaches. Du kannst gerne mitessen, wenn du es nicht zu eilig hast, nach London zu fahren.“
Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, da fiel ihr schlagartig ein, dass ja Jarrett nachmittags zu Besuch kommen würde – und dass sie versprochen hatte, ihm die Geschichte ihrer unglücklichen Ehe zu erzählen. Sie wollte ihm nicht absagen, doch es wäre ihr lieber gewesen, wenn ihr Bruder sich schon verabschiedet hätte, bevor ihr Gast kam.
Sophia war wegen des anstehenden Besuchs schon den ganzen Vormittag so aufgeregt, dass ihr beinahe übel war. Gleichzeitig jedoch war sie erfüllt von nervöser Vorfreude. Und das machte ihr mehr zu schaffen als die Befürchtung, Jarrett
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