Zaertliche Eroberung im Herrenhaus
Ihr Besucher lächelte. „Und manche Dinge sind das Warten wert, Sophia. Es ist durchaus sinnvoll, sich bei einem Haus wie diesem Zeit zu lassen und in Ruhe zu überlegen, wie man die einzelnen Bereiche gestalten möchte. Ich würde Ihnen raten, einfach das zu tun, was Sie können, Schritt für Schritt.“
„Setzen Sie sich doch.“ Sie wies mit dem Kinn auf einen der Stühle mit den geraden Lehnen, die um den Esstisch standen. Jarretts Bemerkung irritierte sie ein wenig, und gleichzeitig fühlte sie sich verstanden.
„Sophia?“
„Ja?“ Sie lehnte an der tiefen Keramikspüle, füllte einen kupfernen Teekessel mit Wasser und war leicht verunsichert, weil Jarrett sie so durchdringend ansah.
Er stand hinter einem Stuhl und umfasste die Lehne. Es war, als würde er die Dinge erobern, die er berührte – und nicht nur die, sondern auch Sophias Sinne, ob sie nun wollte oder nicht.
„Sie wirken so besorgt“, stellte er fest. „Versuchen Sie doch, sich zu entspannen.“
„Das kann ich leider nicht sehr gut.“
„Wegen dem, was passiert ist, bevor Sie herkamen?“
In diesem Moment schlug die volltönende Standuhr in der Eingangshalle, sodass Sophia Gelegenheit hatte, sich ein wenig zu sammeln. „Was meinen Sie damit?“ Mit leicht zitternden Händen stellte sie das Wasser ab und wandte sich zu Jarrett um.
„Sie haben mir doch gesagt, es täte Ihnen nicht leid, Witwe zu sein. Also nehme ich an, Ihre Ehe war nicht sonderlich glücklich. Sind Sie deshalb hier auf High Ridge Hall eingezogen, statt das Anwesen zu verkaufen?“
„Mir ist es nicht sehr angenehm, wie freimütig Sie hier Ihre Ansichten äußern und mir all diese Fragen stellen. Ich möchte Sie bitten, meine Privatsphäre mehr zu achten“, erwiderte Sophia leise, aber nachdrücklich.
„Wenn Sie jemand wären, dem ich nur gelegentlich über den Weg laufe und der mir nichts bedeutet, dann würde ich das tun“, erwiderte Jarrett ruhig. „Aber Sie haben sicher schon gemerkt, dass Sie mich sehr faszinieren.“
Wäre sie seelisch und emotional stabil gewesen, hätte ihr Herz jetzt schneller geschlagen. Doch es ging bei Weitem nicht gut genug, um seine Worte an sich herankommen zu lassen. Sie fühlte sich mutlos und hatte wenig Hoffnung, jemals wieder ein wirklich glückliches Leben zu führen. Ihre anfängliche Freude darüber, das Haus geerbt zu haben, war schon bald tiefer Erschöpfung gewichen, denn die letzten Jahre waren unfassbar schmerzlich und schwer gewesen.
„Dann verschwenden Sie Ihre Zeit“, fuhr sie Jarrett nun an, weil sie befürchtete, er könne ihr zu nahekommen. „Ich kann Ihnen nichts anbieten, auch keine Freundschaft. Dafür habe ich keine Kraft, die reicht ja kaum für mich selbst. Und wenn Sie wüssten, mit welch schlafwandlerischer Sicherheit ich immer die falschen Entscheidungen treffe, würden Sie mich meiden wie die Pest“, fügte sie hinzu. „Sie sollten sich lieber für solche Frauen interessieren, die heute bei Ihrer Schwester zu Gast waren. Die beherrschen jede Form von Small Talk, sind unkompliziert und stammen sicher aus einer Welt, in der äußerer Schein wichtiger ist als alles andere. Bei denen wissen Sie wenigstens genau, worauf Sie sich einlassen.“
Mit verärgerter Miene schob Jarrett abrupt den Stuhl zurück, sodass dieser laut über den Steinfußboden quietschte. Dann trat er direkt vor Sophia und atmete tief durch. Als Sophia aufblickte, sah sie ein Funkeln in seinen blauen Augen.
„Ich mag zwar einigermaßen wohlhabend sein, aber oberflächlich bin ich deshalb noch lange nicht. Woher kommt dieser wenig schmeichelhafte Eindruck, den Sie von mir haben? Glauben Sie vielleicht, Sie sind der einzige Mensch, der je einen Fehler gemacht oder eine falsche Entscheidung getroffen hat? Und zu Ihrer Information: Die Frauen, die Sie gerade beschrieben haben, interessieren mich nicht im Geringsten. Nachdem Sie diese so treffend charakterisiert haben, müsste Ihnen das doch eigentlich klar sein.“
Angesichts seiner Nähe schlug Sophias Herz wie verrückt, und einen furchtbaren Moment lang hatte sein wütender Ausbruch sie an Tom erinnert. Doch sie zwang sich, ruhig zu bleiben. Der Mann vor ihr war nicht Tom. Und hatte auch nichts mit ihm gemeinsam. Offenbar hatte sie bei ihm einfach einen wunden Punkt getroffen, doch Jarrett war ganz sicher niemand, der seine Stärke ausnutzte, um einer Frau Angst zu machen oder ihr wehzutun.
Plötzlich kam ihr ein Gedanke. „Vielleicht sind diese Frauen ja deshalb
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