Zärtlicher Eroberer
zurückgelassen“, sagte er ruhig, denn er wusste ja, dass das Vermögen der Pendennys so stark von Cambournes Wohlergehen abhängig war. Valerian widerstrebte der Gedanke, ihre Ehe könnte zu nichts geführt haben.
„Unbedingt. Ein Cousin erbte den Titel, aber Philippa hat alles, was sie braucht oder sich wünscht. Natürlich ist der Hauptfamiliensitz ebenfalls an den Erben gegangen, aber Philippa besitzt das Haus in Cornwall, wo sie schon während ihrer Ehe lebte. Meiner Meinung nach hat sie das bessere Los gezogen. Coppercrest ist ein viel behaglicheres Zuhause als der Familiensitz, selbst Cambourne bevorzugte es. Den ‚Erben‘ zieht es nicht sonderlich in die Stadt, daher kann Philippa auch frei über das Stadthaus verfügen. Außerdem hat Cambourne ihr einen großen Anteil an den Minen und den damit verbundenen Unternehmen hinterlassen. Er besaß eine Zinnschmelzerei und eine kleine Schwarzpulverfabrik.“
Valerian hörte nur halb zu, als Beldon ihm Philippas Situation beschrieb. Schon die erste Einzelheit hatte seine ganze Aufmerksamkeit gefesselt – ein Cousin war der Erbe des Titels. Also gab es keine Kinder, und damit war eine weitere heikle Frage beantwortet. Valerian fragte sich, ob Beldon das absichtlich oder zufällig erwähnt hatte.
Beldon lachte leise. „Ich vergaß, dass du sie schon so lange nicht mehr gesehen hast. Sie hat sich seit damals sehr verändert, sie ist nicht mehr die aufstrebende kleine Debütantin. Philippa ist jetzt eine kluge, kultivierte Frau, die sich in der Stadt unter den vornehmsten Gastgeberinnen und Politikern genauso wohlfühlt wie auf dem Land, wo sie die Steilküste entlangstreift oder an halsbrecherischen Jagdausflügen teilnimmt. Wenn sie in der Stadt ist, wimmelt es in ihrem Haus nur so von Politikern. Jeder sucht ihren Rat und ihre Meinung. In letzter Zeit gehört sie zu den führenden Befürwortern der Minenreform, und das aus berechtigten Gründen.“
Valerian lächelte nachdenklich in der aufziehenden Dämmerung. Der graue Nachmittag ging allmählich in den Abend über. Truro konnte nur noch wenige Meilen entfernt sein, und Beldons Enthüllungen reichten aus, die restliche Zeit anzufüllen. Valerian wurde in sich gekehrt und grübelte über all das nach, was Beldon berichtet hatte.
Philippa war frei. In einem Märchen hätte sich ihm dadurch eine zweite Chance geboten. Doch diese Welt war alles andere als ein Märchen, und sie waren vor neun Jahren nicht im Guten auseinandergegangen. Philippas letzte Worte hallten noch immer schmerzlich in ihm wider. Dazu kam nun auch noch alles, was er in diesen vergangenen Jahren erlebt hatte. Seine Jahre auf dem Balkan bescherten ihm einen weiteren Alptraum, weitere Menschen, die er im Augenblick der Not im Stich gelassen hatte. Dieses Versagen lastete wie ein unsichtbarer Mahlstein auf ihm, auch wenn es ihm gelungen war, mit den Erinnerungen an seine vergeblichen Bemühungen einigermaßen fertig zu werden.
Er war in London überrascht gewesen, wie viele Leute von seinen Unternehmungen auf dem Kontinent gehört hatten. Natürlich wusste niemand alle Einzelheiten, aber das Wesentliche war ihnen bekannt. Er hatte ein ausschweifendes Leben während seiner kurzen Zeit in Wien geführt und die Rolle eines Diplomaten übernommen, der ständig in Frauengeschichten verwickelt war. Der perfekte Gegensatz zu den überall in Europa ausbrechenden Aufständen, die ihn in dunkle, unheimliche Tiefen führten. Er war ein überaus erfahrener Spion und Unterhändler und hatte sich mit den diplomatischen Aktivitäten befasst, die es niemals auf die Titelseiten der Zeitungen schafften.
„Wir übernachten heute bei Lucien Canton, etwas außerhalb von Truro, das ist viel angenehmer als in einem Gasthaus. Er hat eine ausgezeichnete Köchin und einen noch ausgezeichneteren Weinkeller“, unterbrach Beldon Valerians Gedanken.
Valerian nickte zerstreut. „Wir fallen ihm damit doch hoffentlich nicht zur Last?“ An diesen Freund von Beldon wohl aus Jugendzeiten konnte er sich nicht erinnern. „Ich glaube nicht, dass ich ihn kenne.“
„Er ist der Sohn und Erbe von Viscount Montfort. Er stand Cambourne vor dessen Tod sehr nahe. Seitdem ist er Philippas verlässliche rechte Hand.“
Valerian wusste Beldons Gesichtsausdruck nicht recht zu deuten. Er machte nicht den Eindruck, als wäre er ausgesprochen glücklich über den Umgang dieses Mannes mit seiner Schwester, sondern eher, als hätte er sich irgendwie damit abgefunden.
Doch Beldon
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