Zärtlicher Hinterhalt
Strich durch die Rechnung – doch diesmal sollte ihr das nicht gelingen. Ihr Leben stand auf dem Spiel, vorübergehend musste sie fort. Es war zu ihrem eigenen Besten. Eines Tages würde sie ihm seine Umsicht danken und verstehen, warum er ihr das angetan hatte.
Sie musste es verstehen, denn er brauchte, um seines Familiennamens willen, eine Ehefrau. Er brauchte einen Erben – die Gemahlin hatte er zumindest schon. Und die letzten Tage hatten hinreichend, wiederholt und in erstaunlicher Weise gezeigt, dass sie im Bett immer noch gut zueinander passten. Sie würden zügig einen Nachkommen zustande bringen.
Dougald blieb unter der offenen Tür des Anrichteraums stehen. Das kleine Zimmer diente zur Aufbewahrung von Geschirr, Livreen, Servietten und zusätzlichen Stühlen – allem, was die Serviererinnen vielleicht brauchten. Die eine Wand entlang standen Regale, an der gegenüberliegenden ein Tisch.
Falls er Hannah so gegen sich aufgebracht hatte, dass sie ihn nie mehr in ihrem Bett willkommen hieß, blieben ihm verschiedene Optionen – keine davon sonderlich attraktiv.
Er konnte sich scheiden lassen und eine andere heiraten.
Er konnte sie mit der ganzen Macht seiner gesetzmäßigen Rechte zu ihm zurückzwingen.
Er konnte um sie werben.
Um Hannah zu werben war ein ineffizienter Zeitaufwand. Sie gehörte ihm längst. Und die anderen beiden Optionen waren ihm zuwider. Außerdem wusste er genau, dass er nie wieder eine Frau finden würde, die seinem Bett so angemessen war wie Hannah. Wenn er und Hannah sich paarten, verzehrten sie einander im Feuer der Leidenschaft. Er musste Hannah haben, und sie musste ihm zu Willen sein!
Damit er sie bekam, und zwar willig, bedurfte es der Strategie. Sobald er den Galgenvogel gefasst hatte, der versuchte, sie umzubringen, würde er sie in London oder Surrey auftreiben. Gütiger Himmel, er konnte nur hoffen, dass er sie nicht gleich aus England vertrieb! Dann würde er ihr jedenfalls erklären, dass er sie zu ihrem eigenen Besten fortgeschickt hatte.
Sie würde ihm die Tür vor der Nase zuschlagen – oder lieber noch auf seine Finger.
Hannah saß auf einem Hocker an der Anrichte und kehrte ihm den Rücken zu. Ihr Gehstock lehnte in einer Ecke. Tafelsilber bedeckte in glitzernden Reihen die schmale Platte. Er sah ihr zu, wie sie Löffel sortierte und sie ans Ende der Anrichte rieben die fein säuberlich arrangierten Gabeln legte. Ein paar zarte Strähnen hatten sich aus ihrem Chignon gelöst und berührten ihren Nacken, wo auch er ihn gern berührt hätte. Sein Blick bohrte sich mit hitziger Intensität in sie.
Fürs Erste musste er sie loswerden und wusste auch schon, was er sagen wollte. Bei seiner Hetzrede in der Schlafkammer hatte er doch tatsächlich einen wichtigen und überaus beleidigenden Aspekt vergessen.
Entschlossen stieß er die Tür mit einer Hand noch weiter auf, bis sie innen gegen die Wand krachte.
Sie fuhr nicht einmal hoch, legte keinerlei Pause ein.
»Ich vermute, es geht dir um dein jämmerliches, kleines Häuflein Geld«, begann er gedehnt und verächtlich.
Ihre Schultern erstarrten. Betont langsam drehte sie sich nach ihm um. Sie trug ein einfaches, braunes Wollkleid und als Accessoire in der Hand ein feines, silbernes Messer.
»Mylord Raeburn«, sagte sie. »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«
»Von dir.« Er kam herein. »Du bist immer noch hier – davon spreche ich.«
»Und das überrascht Sie?« Sie drehte sich auf dem Stuhl herum, bis sie ihm frontal gegenübersaß, drehte das Messer in der Hand und stützte die Ellenbogen elegant auf die Anrichte. »Wie das, Mylord? Wann hätte ich je getan, was Sie von mir verlangten?«
Dougald war hergekommen, um das Spiel, das sich oben in der Schlafkammer so gut angelassen hatte, weiterzutreiben und so seine Frau vor einem drohenden Mordanschlag zu beschützen. Und nun saß sie ihm gleichgültig gegenüber, schien sich nicht um ihn zu scheren, weder um seine Autorität noch um sein mögliches Zugeständnis. Er machte die Tür hinter sich zu. »Diesmal wirst du es.«
Dazu lächelte sie – soweit man das ein Lächeln nennen konnte. »Aber Dougald, ich bin deine Gattin … und bin zurückgekehrt, nachdem ich dich all die Jahre im Stich gelassen habe. Du musst doch glücklich sein, dass ich mir deine Worte so zu Herzen nehme und mich weigere, dich zu verlassen.«
Der Teufel sollte ihn holen, schon wieder hatte er das Falsche gesagt. Das kam davon, wenn man sich ungeordnete Gefühlsduselei
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