Zärtlicher Hinterhalt
denken.«
»Du gibst dir die Schuld an seinem Tod.«
»Nicht ganz zu Unrecht.«
»Du warst doch noch ein junge. Er hätte dir Werte beibringen sollen, und nachdem ihm das nicht gelungen war, hätte er es erneut versuchen, dich ausfindig machen und überreden sollen zurückzukommen. Er war ein erfolgreicher Geschäftsmann und hätte die Enttäuschung sicher überlebt. Stattdessen ist er gestorben, ohne dich noch einmal zu sehen.«
Dougald betrachtete sie mit schiefem Lächeln.
»Hast du deshalb die Waisenhäuser unterstützt und für die Männer und Frauen, die auf der Straße lebten, ordentliche Arbeitsplätze gefunden?«
»Ich habe vieles gutzumachen.«
»Und ich dachte, du hättest nur eine wohltätige Ader.« Sie legte den Kopf an seine Schulter, dann richtete sie sich wieder auf. »Als Geschäftsmann warst du immer ziemlich kompromisslos.«
»Weil ich besser sein wollte als Vater, ja! Aber außerdem habe ich mit sechzehn die Leitung des Geschäfts übernommen. Wäre ich nicht rücksichtslos gewesen, die ›Freunde‹ meines Vaters hätten mich von der Bildfläche gewischt.«
Hannah versuchte zu sprechen. Sie musste sprechen, ihm sagen, was sie die letzten paar Tage entdeckt hatte.
Aber er missverstand ihren Anlauf. »Versuch jetzt nicht, mir zu erklären, dass du geblieben wärst, wenn du es gewusst hättest. Das wärst du nicht. Ich war entschlossen, meinen Vater in jedweder Hinsicht zu übertreffen, auch als unerbittlicher Kämpfer. In jedem Fall hätte ich dich davongejagt.«
Sie versuchte wieder zu sprechen.
Aber er bedeutete ihr zu schweigen. »Du warst zu jung, mich in den Griff zu bekommen. Du hattest keine Mutter, keine Freunde – keinen, dem du hättest erzählen können, wie dickköpfig und dumm ich war. Ich hätte dich nicht so früh heiraten sollen. Das war mein Fehler.«
»Ein größerer, als mich zu belügen hinsichtlich des Modesalons?«
Er starrte sie an, legte ihr die Hand auf die Schulter, als er ihre Ungeduld bemerkte, und lehnte sich gegen die Kirchenbank. »Meine Verletzung fängt an wehzutun …«
»Meine auch.«
Er richtete sich wieder auf. »Dein Knöchel?«
»Nein.« Diesmal war es an ihr, geradeaus zu schauen und zu den Blumen zu sprechen. »Die Wunde, die du mir zugefügt hast, als du sagtest, ich hätte dich verlassen, ohne Versöhnungsversuch.«
»Oh!« Dougald wollte ihren Schmerz lindern, indem er die Verantwortung für alles übernahm. »Das war Teil meines Plans, dich loszuwerden!«
Sie schaute ihn wieder an. »Lüg nicht, Dougald! Ich habe die Wahrheit sofort durchschaut. Zu viel Zeit meines Lebens habe ich damit verbracht, meine Flucht vor mir selbst zu rechtfertigen. Ich wusste, dass ich einen Fehler gemacht hatte.«
»Du warst jung.«
»Andere Frauen sprechen ihr Ehegelöbnis mit achtzehn aus und meinen es auch ernst. Ich habe dich verlassen, weil ich gehen wollte, bevor du mir ein Kind anhängen konntest.«
Er zuckte zusammen, als hätte ihn schon wieder eine Kugel getroffen. »Vernünftige Überlegung!«
»Ja. ja, das war es. Aber die Wahrheit ist, dass unter meinem großäugigen Staunen die Geister der Vergangenheit lauerten. Sie ließen mir keine Ruhe.« Mit einem zittrigen Seufzen gestand sie ein: »Deshalb glaubte ich nicht, dass unsere Ehe halten würde.«
Sein Gesicht verwandelte sich in die Maske des Geschäftsmanns und Lords. »Ich verstehe.«
»Nein, du hast keine Ahnung. Du und ich, wir konnten gar nicht schlechter zusammenpassen. Du, der sich so viel beweisen musste. Ich, die wusste, dass kein Mann mich für immer haben wollen würde.«
Seine Maske fiel ab und enthüllte einen verwirrten Mann. »Dich nicht wollen? Ich wollte dich die ganze Zeit. So sehr, dass es mich verlegen machte. Ich hatte Angst, die Kontrolle zu verlieren. Hast du das nicht gemerkt?«
»Nein, und wenn, dann hätte es keine Rolle gespielt. Wegen meiner Herkunft gab es kein Zuhause auf dieser Welt. Nicht für mich.«
»Ich habe Charles erlaubt, nach Belieben zu schalten und zu walten, darum war es nie dein Zuhause.«
»Aber du hast Recht, ich hätte kämpfen können und gewinnen. Ich hatte ja Waffen – dachte allerdings … es hätte keinen Sinn.« Hannah hatte Dougalds Geschichte gehört und war von seinem Vertrauen gerührt; nun wollte sie das Ihre zurückgeben. Doch das war schwer, weil alte Erinnerungen sie schmerzten. Trotzdem fing sie zu sprechen an, ignorierte das Beben in ihrer Stimme. »Meine Mutter … du hast meine Mutter gekannt.«
»Eine gute
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