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Zärtlicher Hinterhalt

Zärtlicher Hinterhalt

Titel: Zärtlicher Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Dodd
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den Mund. Schließlich beugte er sich vor, nahm den Löffel zur Hand, und Hannah begriff, dass diese Runde an sie ging.
    Wer
eine
Runde gewann, gewann vielleicht auch die zweite. »Willst du dich von mir scheiden lassen?«
    Er schluckte, betrachtete seine lang verlorene Braut mit dem kalten, ruhigen Zorn, der all seine Tage begleitete. Dass sie es überhaupt wagte, von Scheidung zu sprechen, zeigte ihm nur, dass sie die Lage vollkommen missverstand. Eine Scheidung war schwierig, teuer und eine Schande, die einen sein Leben lang verfolgte. Als Herr über diese Besitztümer würde er seinen frisch gewonnenen Rang nicht durch eine Scheidung gefährden, wie sehr sich Hannah auch gegen ihn versündigt hatte. Aber das war nicht der wahre Grund.
    Nein, er hatte gänzlich andere Pläne für sie. Im indifferentesten Tonfall, zu dem er fähig war, sagte er: »Keine Scheidung!«
    Hannah riss die Augen weit auf. Sie erforschte seine Miene, legte die Stirn in Falten, zermarterte sich das Hirn, suchte den alten Dougald. Den Mann, der sie vor den Abgründen der Armut gerettet hatte. Den Mann, der sie in ihrer Jugendzeit beschützt und während ihrer Ehe umsorgt hatte.
    Er hätte ihr sagen können, dass dieser Mann tot war, so tot wie angeblich seine Frau. Von Hannahs eigener Hand umgebracht. Aber irgendwie wollte er sie immer noch beschützen.
    Sie widmete sich ihrem Teller, aß schweigend, er übrigens auch. Aß, bis ihr Teller leer und ihr Magen gefüllt war.
    Als sie den Löffel weglegte, sagte er sofort: »Du hast dich nicht verändert. Du kannst immer noch essen, egal was passiert.«
    »Ist ein Trick, den ich als Kind gelernt habe, als ich nur selten wusste, wann es die nächste Mahlzeit gab.« Sie drehte das Glas in der Hand, schwenkte die rubinrote Flüssigkeit im Kreis herum und betrachtete den Feuerschein, der sich im Schliff des Glases brach.
    Wie schon den ganzen Abend über vermied sie es so weit wie möglich, ihn anzusehen. Er wollte sie also mit jenen Erinnerungen quälen, denen sie so verzweifelt aus dem Weg zu gehen suchte. Himmel, wie lange hatte er darauf warten müssen! »Meine Liebe, ich habe speziell diesen Burgunder gewählt, weil ich doch weiß, wie sehr du ihn magst. Ist er … nach deinem Geschmack?«
    Sie sah ihn nicht an, tat so, als wüsste sie nicht, weshalb er fragte, und klammerte sich an ihre Taktik wie der Schiffbrüchige ans letzte Stückchen Holz. »Der Burgunder ist exzellent – aber soweit ich mich erinnere, war dein Keller immer überragend.«
    Hätte er noch gewusst, wie man lächelte, er hätte es getan. Ihre Ausflucht war meisterhaft, aber eben doch nur eine Ausflucht. jener Tag im Zug hatte sie vom Mädchen zur Frau gemacht. Und wie sehr sie sich auch im Nachhinein um Schicklichkeit bemühte, er würde sie trotzdem bei jeder sich bietenden Gelegenheit daran erinnern.
    Weil er es niemals vergessen würde.
    Er packte den jungen Straßendieb am Hals und schüttelte ihn durch wie der Terrier die Ratte. »Wo ist sie?«
    Der Bursche krallte sich in Dougalds Hand, bis er seinen Griff lockerte. »Da«, krächzte er. »Dahin ist sie gelaufen.«
    Er zeigte auf den wimmelnden Bahnhof von Liverpool und bestätigte Dougalds schlimmste Befürchtungen. Die kleine Hannah verließ ihn auf dem direktesten aller Wege, dem gefährlichsten aller Wege, an Bord eines Wagons, der Frachtgüter nach Birmingham brachte. Seine Verlobte war eine kleine Närrin … Der Dieb fing zu strampeln an, was Dougald aus seinen Überlegungen riss und wieder fester zupacken ließ. »Hast du ihr wehgetan?
«
    »Nein, Sir! Ich schwör's! Sie war wie ein Bursche angezogen und hat so ein niedliches Notizbuch dabei gehabt. Ich hab sie bloß angelacht, da hat sie's schon nach mir geworfen.« Der Taschendieb schluckte. »Waren keine Geldscheine drin, Sir. Ich hab die Lady echt nicht berührt, Sir. So einer würd ich nie wehtun.« Er tippte sich mit dem Finger an die Stirn.
    Ja. Der Junge hatte Hannah für eine Geisteskranke gehalten. Vielleicht tat das ja ein jeder. Am Ende war ihr Ungestüm ihre Rettung.
    Dougald ließ den Burschen los und bahnte sich einen Weg zwischen den unzähligen Männern hindurch, die amerikanische Baumwolle auf englische Eisenbahnwaggons verluden. Gelegentlich sah einer ihn an, grinste, wies mit dem Finger die Gleise hinunter und schickte ihn dem Mädchen nach, das sich als Mann verkleidet hatte. jede Geste machte ihm Hoffnung und Angst, dass Hannah nicht unbemerkt geblieben war. Denn auch wenn die meisten der

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