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Zärtlicher Hinterhalt

Zärtlicher Hinterhalt

Titel: Zärtlicher Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Dodd
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Leute hart arbeitende Familienväter waren, ein paar Schurken gab es immer, die Hannahs Notlage gerne ausgenutzt hätten. Dougald folgte den Hinweisen, rannte atemlos, malte sich das Schlimmste aus und fürchtete, zu spät zu kommen. Die Männer zeigten auf einen Zug, der schon ruckelte und Dampfwolken ausstieß. Er hielt sich im Schatten und ließ seine Blicke schweifen, als der Zug sich langsam in Bewegung setzte.
    Und er entdeckte sie. In der offenen Tür eines der Wagons, in den Sachen, die er als junge getragen hatte, mit baumelnden Beinen und Augen, die groß waren und voller Erregung.
    Schönes, dummes Mädchen. Fünf Jahre lang hatte er sie beschützt, hatte gewusst, dass sie eines Tages ihm gehören würde, war hingerissen von ihrer Intelligenz, ihrer Gefügigkeit, ihrer Weiblichkeit. jetzt gab es dieses Kind nicht mehr – eine Frau war an seine Stelle getreten, deren Kurven keine noch so strenge Schuluniform kaschieren konnte. Lose, blonde Strähnen hingen ihr ums Gesicht. Ein ausgelassenes Lachen hob ihre Mundwinkel, als mache ihr der Gedanke, ihm und ihren Verpflichtungen zu entkommen, wirklich Spaß.
    Was nur bewies, wie wenig Ahnung sie von den Gefahren hatte, die einer jungen Ausreißerin drohten.
    Er rannte weiter aufs Ende des Zugs zu, und erwischte gerade noch einen der Griffe am letzten Wagen. Dougald schwang sich auf die Plattform, balancierte auf
den schmalen Bohlen und überdachte seine Lage. Hannahs Wagon war der dritte von hinten. Der Zug nahm langsam Geschwindigkeit auf An den Seiten der Wagen waren Sprossen aus Metall befestigt. Er konnte hinaufklettern, das Dach entlangkriechen und über die Zwischenräume …
    Plötzlich stand er da und lachte. In all den Jahren, seit sein Vater gestorben war, hatte er nichts derart Gefährliches, Übereiltes getan. Diese Art von Heldentat hätte einem viel jüngeren Dougald angestanden. Er lachte wieder. Vielleicht war Hannah am Ende seine Rettung.
    Der Zug dampfte und ratterte, als er an der Seite die Leiter hinaufstieg. Die Metallsprossen wackelten unter seinen Füßen und unter seinen Händen. Aber immer noch besser die wacklige Seite, als das Dach ohne Griffe … er schob sich auf das flache, aufgehetzte Metall. Der Wind pfiff ihm durch die Haare. Von oben auf dem Wagon hatte man einen schönen Blick auf Liverpool und das Land in der Umgebung sowie den Abstand zum Boden.
    Wieder lachte er. Wahnsinn. Er war wahnsinnig.
    Aber er konnte Hannah nicht aufgeben. Er hatte sie in den Armen gehalten, als sie um ihre Mutter weinte.
    Also kroch er auf dem Dach des Wagons weiter. Beim Zwischenraum zwischen diesem und dem nächsten Wagon hielt er inne und beäugte die Distanz. Unten ratterten und schlingerten die Stoßdämpfer. Und die Gleise rasten unter ihm weg.
    Früher war er ein wilder Bursche gewesen und hätte dieses Unternehmen als Ulk empfunden. Heute war er ein allseits respektierter Geschäftsmann, der Risiken zu schätzen vermochte. Wenn er sein Ziel verfehlte … Er holte Luft und sprang – landete auf allen vieren, und das Metalldach vibrierte unter seinem Gewicht. Aber er hatte es geschafft.
    Flach geduckt setzte er wie ein primitives Urzeittier zum nächsten Sprung an.
    Ja, mittlerweile konnte er jedes Risiko abschätzen, Hannah nicht. Hier draußen lauerten Gefahren. Wie sollte sie denen entrinnen? Ihr Leben war anfangs nicht leicht gewesen; aber seit er sie unter seine Fittiche genommen hatte, erhielt sie immer nur das Beste: Essen. Kleider. Erziehung. Unterricht.
    Der Zug fuhr schneller. Die Lücke zwischen den Wagons schien größer zu werden. Diesmal gestattete er sich nicht einmal mehr, Luft zu holen, bevor er sprang.
    Er blickte sich um. Endlich. Hannahs Wagon, er oben auf dem Dach, sie innen drin Die Schiebetür stand offen, und der Weg zu ihr erforderte nur ein bisschen Akrobatik … die er seit Jahren nicht mehr trainiert hatte.
    Diesmal lachte er nicht. Fluchend schob er sich an den seitlichen Rand des Dachs und linste über die Kante. Hannahs Beine baumelten nicht mehr nach draußen. Offensichtlich hatte sie sich nach innen begeben, als der Zug schneller geworden war. Kluges Mädchen. Sehr kluges … nein, da fehlte es doch eher. Aus Übermut hatte sie einen Dougald Pippard herausgefordert.
    Vielleicht hatte sie es nicht begriffen, aber er hatte sie an sich gebunden, und zwar aus den ehrenwertesten Motiven. Jetzt erforderte es die Pflicht – nein, seine Zuneigung zu ihr war es –, dass er sie beschützte, notfalls sogar vor ihr

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