Zärtlicher Hinterhalt
bevor wir heiraten konnten.« Tante Springs fröhliche Miene betrübte sich. »Eine lange Zeit ist das jetzt schon her, aber – ist es zu glauben? – ich vermisse ihn immer noch. Manchmal höre ich ihn meinen Namen rufen. Aber wenn ich mich umdrehe, ist er nicht da.«
»SO
ein Unsinn«, sagte Miss Minnie.
»Nein, das ist es nicht.« Tante Spring zögerte nicht, ihrer riesenhaften Freundin zu widersprechen. »Er ist immer bei mir, da bin ich mir sicher. Ich kann ihn nur nicht sehen. Ist es nicht seltsam und wundervoll zugleich, dass Liebe ewiglich währt?«
Hannah sah zu Dougald auf. Ein zufriedener Zug umspielte seinen Mund, während er Tante Spring betrachtete.
»Manche
Liebe dauert ewig«, korrigierte Hannah. »Manche wird aber mit Füßen getreten und missachtet, bis sie schrumpelt wie ein Apfel.«
»Sie sind viel zu jung, um schon so zynisch zu sein.« Tante Isabel kam etwas näher. »Wo haben Sie das denn her?«
»Sie war vermutlich verheiratet«, erklärte Tante Ethel. »Frauen werden oft zynisch, sobald sie verheiratet sind.«
»Männer werden gleichfalls zynisch, sobald sie erst einmal verheiratet sind«, ergänzte Dougald.
»Welchen Grund hätten Sie wohl, zynisch zu sein?«, fragte Tante Isabel. »Sie haben Ihre Frau ja umgebracht!«
Hannah war entsetzt. Zum ersten Mal hörte sie, wie jemand die Anschuldigung direkt aussprach – doch dass es von solch friedfertiger Seite kommen würde, hatte sie nicht erwartet. Sie schaute Dougald an, der aber teilnahmslos wirkte. Hatte man es ihm schon so oft vorgehalten, dass es ihn nicht mehr kümmerte? Oder verbarg er unter seiner stoischen Ruhe den Wunsch, sich verteidigen zu können?
Hatte er sie bedroht, weil er selbst schon so oft bedroht worden war?
»Du hast Miss Setterington verschreckt, Isabel«, tadelte Miss Minnie.
»Und abgesehen davon, Isabel, meine Liebe, haben wir entschieden, dass es sich um eine fabelhafte Geschichte handelt, Dougald es aber nicht getan hat. Es ist wirklich sicher hier, mit Dougald als Oberhaupt. Sämtliche Mordfälle sind passiert, bevor er herkam.«
»Mordfälle?«, hauchte Hannah.
»Sie meint den Tod der vorherigen Lords«, informierte Dougald sie.
Tante Isabel ignorierte ihn mit südlichem Sinn für Dramatik. »Ihr drei habt entschieden, dass Dougald unschuldig ist – ich nicht! Ich finde es wunderbar mysteriös, dass er seine Frau umgebracht hat. Es gibt ihm etwas so Bedrohliches. Und ohne ein wenig Gefahr wäre es hier recht langweilig.« Sie legte den schwärmerischen Tonfall ab und wurde sachlich. »Wie auch immer, er hatte vermutlich seine Gründe. Der Himmel weiß, wie oft ich meinen alten Drachen von Gemahl abschlachten wollte.« Sie wandte sich an Hannah. »Sie dürfen niemals einen Mann heiraten, der Sie von Ihrer Familie fortholen will. Denn dann kann er alles mit Ihnen anstellen, und niemand ist da, um ihn aufzuhalten.«
»Ich kann Ihnen ganz sicher versprechen, dass ich das nicht tun werde«, sagte Hannah.
»Und mein alter Drachen hat sich von mir scheiden lassen«, meldete sich Tante Ethel mit tränenfeuchten Augen zu Wort. »Haben Sie eine Ahnung, wie schwierig es ist und wie viel Geld es kostet, eine Scheidung zu erreichen? Man braucht einen Parlamentsbeschluss, wissen Sie.«
»Davon habe ich gehört«, murmelte Hannah.
»Aber er wollte mich so unbedingt loswerden, dass er gerne bezahlt hat.« Die Tränen trockneten wieder, und ihre Augen blitzten. »Jetzt lebt er mit diesem Fräulein zusammen, das meine Kammerzofe war. Er wird vermutlich im Bett sein Leben aushauchen, und der Leichenbestatter wird seine liebe Mühe haben, ihm das Grinsen aus dem Gesicht zu schminken!«
Miss Minnie nickte und verkündete: »Kein Narr ist so närrisch – wie ein alter Narr, sage ich immer.«
»Ladys, Sie können beruhigt zu Bett gehen, ich habe meinen Mordgelüsten niemals nachgegeben«, erklärte Dougald und starrte Hannah dabei an. »Wie sehr die fragliche Person es auch immer verdient gehabt hätte.«
»Da hörst du es, Liebe«, sagte Tante Spring befriedigt, »er hat es nicht getan.«
»Einen Mord würde er wohl kaum zugeben«, beharrte Tante Isabel auf ihrem Standpunkt.
Tante Ethel betrachtete ihn nachdenklich. »Er hat es nie zuvor abgestritten, und
aussehen
tut er wirklich wie ein Mörder.«
Die anderen Damen schrien ihren Protest heraus.
Hannah erinnerte sich an seine belustigte Miene, als er ihr erläutert hatte, dass es all seine Probleme löste, sie umzubringen.
»Das tut er wirklich«, sagte
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