Zärtlicher Hinterhalt
empfangen worden«, gab Hannah zu. »Sie ist eine Förderin meiner Akademie gewesen.«
Tante Spring schaute aufgeregt zu den anderen Damen hinüber und rief überglücklich: »Es ist wahr, Mädels!«
Mit wippenden Locken und fliegenden Röcken kam Tante Ethel angelaufen, Tante Isabel auf den Fersen, die gerade fragte: »Hat sie gesagt, dass es stimmt?«
»Ja. Isabel, es stimmt.« Miss Minnie brüllte Tante Isabel ins Ohr, bevor sie selber mit geschwächten, aber strahlenden Augen angelaufen kam.
»Jetzt müssen Sie uns alles berichten!« Tante Ethel hatte Gartenhandschuhe an und eine Rosenschere in der Hand. Sie war dabei, eine Vielzahl von Topfpflanzen zu versorgen, die im ganzen Raum verteilt standen, bevor die Damen ihre Konferenz begonnen hatten. »Ist Ihre Majestät so jung und hübsch wie auf ihrem Porträt?«
»Sie ist sehr hübsch und sehr jung für solch eine beängstigende Bürde.« Hannah hatte den Sternen in der Tat oft dafür gedankt, dass nicht sie dazu ausersehen war, England zu regieren. Pomp und Zeremoniell begleiteten jeden Schritt Ihrer Majestät. Die einzige Zeit, die sie für sich allein zu haben schien, war die, in der sie mit Albert und den Kindern zur Erholung nach Schottland flüchtete.
»Wir haben von Victoria dieses Bild hier.« Tante Isabel zeigte Hannah ein kleines Ölgemälde, eine Kopie des offiziellen Krönungsgemäldes. »Sieht sie wirklich so aus?«
»Das ist ihr sehr ähnlich.«
Die Tanten wechselten ernste Blicke.
Was war denn daran so wichtig?
»Und haben Sie auch ihren lieben Gefährten gesehen?«
»Prince Albert?« Die meisten Leute waren interessiert, wenn sie hörten, dass Hannah das Herrscherpaar getroffen hatte, aber für die Damen hier schien geradezu ein Lebenstraum in Erfüllung zu gehen. »Ja, ich bin ihnen beiden vorgestellt worden.«
»Von ihm haben wir dieses Porträt.« Miss Minnie zog einen vergilbten Zeitungsausschnitt aus der großräumigen Schürzentasche. »Es ist keine von diesen vulgären Karikaturen, sondern ein richtiges Gemälde. Sieht er so aus?«
»In der Tat.« Hannah schaute in die aufgeregten Gesichter. »Jetzt müssen Sie mir bitte sagen, weshalb Sie das wissen wollen.«
Tante Ethel zog die Gartenhandschuhe aus und legte sie neben die Rosenschere.
Tante Spring nahm Hannah bei der Hand. »Kommen Sie, und setzen Sie sich zu uns.«
Hannah folgte ihr zu einer Sitzgruppe aus Polsterbänken und Stühlen, die um einen eisernen Ofen herumstanden. Die Fenster waren zwar so undicht, dass sie die frische Märzluft hereinließen; doch der Ofen glühte vor Hitze. Die Tanten setzten sich eng zusammen. Wenn Frauen ein höheres Alter erreichten, hatte Hannah beobachtet, dann wurde die Haut dünn, die Knochen schienen wie die von Vögelchen, und Wärme stellte für sie die Hauptmedizin dar. Tatsächlich waren die Vorhänge dick gefüttert, um jene Zugluft abzuhalten, die Hannahs Schlafkammer so unwohnlich machte. Eine Wand war sogar ganz mit hinreißendem purpurroten Samt verkleidet.
Die junge Gesellschafterin setzte sich auf den Stuhl, der am weitesten vom Ofen entfernt stand, schob die Ärmel hoch und fragte: »Weshalb ist für Sie die Queen Victoria so wichtig?«
Tante Spring schaute fragend ihre Freundinnen an.
»Nun sag es schon, Tante Spring.« Miss Minnie nickte ihr zu. »Du solltest Miss Setterington einweihen in das, was wir vorhaben.«
»Ja.« Tante Spring setzte sich, sprang aber gleich wieder hoch wie ein aufgeregtes Kind. »Mein Bruder war hier viele Jahre lang der Hausherr.«
»Ah, ich verstehe«, sagte Hannah, auch wenn sie nicht wusste, was das wiederum mit Queen Victoria zu tun haben sollte.
»Rupert ist immer schon ein wunderlicher Mann gewesen. Er war sich seiner Stellung sehr bewusst. Immer auf seine Pflicht bedacht, aber geizig wie ein Pfandleiher.« Tante Spring schüttelte den Kopf. »Ich bin hier geboren und habe hier mein Leben verbracht; aber so wie Rupert sich aufführte, hätte man denken können, ich hätte ihm das Brot vom Mund geraubt.«
Es war eine traurige Geschichte, die Tante Spring da er zählte – eine, die viele unverheiratete Damen in ganz England hätten bestätigen können. »Ich nehme an, er hat Ihnen das Leben hier recht schwer gemacht«, sagte Hannah mitfühlend.
Tante Spring schniefte leise. »Nein … er war ja kein gewalttätiger Mann. Eher so eine Art Hemmschuh. Er war der Typ von Mann, der sich noch beschwert hätte, wenn man ihn an einem seidenen Seil erhängt hätte. Und sogar als der gute
Weitere Kostenlose Bücher