Zärtlicher Hinterhalt
was er ihr angedroht hatte? Hatte er vor, sie zu töten? Oder sie anzufallen und zu nehmen? »Das solltest du aber beurteilen können«, schnappte sie zurück.
Hannah kannte Dougald. Er würde sie nicht umbringen, und wenn er es noch so gern täte. Zumindest würde er sie vorwarnen, bevor er sich dazu entschloss. »Hast du vor, mich einweisen zu lassen?«, bot sie ihm probeweise als Alternative an. »Ich glaube, Geisteskrankheit ist ein Grund, ein unerwünschtes Ehegelöbnis zu lösen.«
In vorgetäuschter Nachdenklichkeit rieb er sich das Kinn. »Daran hatte ich nicht gedacht. Danke für den Hinweis.«
»Wenn du mich in eine Anstalt sperren lässt, wirst du zugeben müssen, dass du mich nicht ermordet und dennoch entsprechende Gerüchte zugelassen hast, zu deinem eigenen Schaden.« Herausfordernd warf sie sich in Positur. »Wen von uns beiden werden sie dann wohl für wahnsinnig halten?«
»Mich, weil ich meine Frau nicht zur Räson gebracht habe.«
»Das ist mein Dougald! Immer ganz das Scheusal!« Sie drehte ihm den Rücken zu wie der Dompteur der wilden Bestie und begutachtete die Bettvorhänge. »Scheusal oder nicht, so musst du nicht leben. Mit diesem alten, schäbigen Zeug. Wer auch immer hier die Einrichtung ausgesucht hat man sollte ihn erschießen.«
Dougald zuckte zusammen.
Hannah starrte ihn an. »Stimmst du mir etwa nicht zu?«
»Es ist mir nicht aufgefallen.«
»Wie das? Du hast immer nur das Beste haben wollen.«
»… aus Sorge, was die anderen von mir dachten.«
»Wir reden über einfachste Annehmlichkeiten. Die Stühle sind alt, die Matratze ist lumpig.«
Seine Lordschaft zuckte die Schultern. »Ich kann ohnehin nicht schlafen.«
»Vielleicht bist du deshalb so übellaunig.« Sie ging zu einem Tisch, auf dem ein Kandelaber stand, und zündete die Kerzen an. Aber auch ein Dutzend helle Flammen machten den Raum nicht gemütlicher. Der Rauch hatte auf Vorhängen und Tapeten ungleichmäßige Streifen hinterlassen, und überall steckte der beißende Geruch drin. Hannah schaute sich um. Dougald brauchte … nun, er brauchte irgendetwas. Besänftigenden Einfluss vielleicht oder ein vernünftiges, offenes Gespräch.
Sie war nie fähig gewesen, vernünftig mit ihm zu reden, doch die Nemesis Charles war dazu in der Lage. »Was hält eigentlich dein Kammerdiener von alledem?«
Seine Augen wurden zu grünen Schlitzen aus Eis. »Ich habe ihn nicht gefragt.«
Dougalds Feindseligkeit beeindruckte sie nicht. »Ihm sind gewisse Annehmlichkeiten stets wichtiger gewesen als dir.«
»Er hat seine Annehmlichkeiten – anderswo.« Dougald kam einen Schritt weiter ins Zimmer. »An mir ist nichts mehr, wie es war, Hannah. Wenn du versuchst, mich nach vergangenen Maßstäben zu beurteilen, wirst du scheitern!«
»Dann gibt es wohl einiges, das wir zu klären haben.«
»Nicht heute Nacht. Nicht hier. Nicht Jetzt.«
»Du sagst, nichts an dir sei, wie es war. Aber ich muss sagen, das ist es doch. Es muss immer noch alles nach deinem Kopf gehen. Natürlich – du bist ja auch ein Mann.« Sie setzte sich mit verschränkten Armen auf einen der hart gepolsterten Stühle. »Heute Nacht. Hier. Jetzt.«
Immer noch halb im Schatten verborgen, lehnte er sich mit den Schultern an die Wand. Und Hannah erheischte einen kurzen Blick auf den alten Dougald mit seinem schiefen Lächeln. »Du bist ziemlich kühn für eine Frau, die einen derartigen Fehler begangen hat.«
»Nicht ich habe einen Fehler begangen, Dougald.«
Das Lächeln erstarb und ließ einen grimmigen Fremden zurück. »Das weiß ich. Und ich habe die Missetäter bestraft.«
Was meinte er damit? Wen meinte er damit? Charles? Sich selbst?
»Wer sich mir widersetzt, muss mit Folgen rechnen, Hannah. Denk daran!«
Nein, er hatte nicht sich selbst bestraft. Dazu war er viel zu selbstgerecht. »Das
habe
ich.«
»Und keiner kann mich zu irgendetwas zwingen«, fuhr er fort. »Auch nicht zu einer nächtlichen Szene. Wir werden reden, wenn ich es will, und keinen Augenblick früher.«
Sie packte die Gelegenheit beim Schopf. »Du bist also bereit zu einem Gespräch?«
»Ja … wenn ich den richtigen Zeitpunkt für gekommen halte, dann werde ich reden, und du wirst zuhören.«
Zum Teufel mit diesem Mann und seiner Gefühllosigkeit! Er brachte sie zur Raserei wie kein anderer. Sie sprang auf und rauschte auf ihn los. Er wich keinen Schritt zurück, warum auch? Sie konnte ihm nichts anhaben. Dougald ließ sich von ihr am Kragen packen. »Du hast dich kein
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