Zärtlicher Hinterhalt
zur Gänze in Dougalds Privatsphäre ein.
Nicht dass er es nicht verdient gehabt hätte. Himmel, er hatte sie ohne Skrupel in London überwachen lassen!
Aber sich ins Schlafzimmer ihres verlassenen Ehemanns zu schleichen war unter ihrer Würde und passte nicht zu ihr.
Wenn man davon absah, welche gesunde Neugier sie als Kind an den Tag gelegt hatte, wie verrückt sie nach neuen Erfahrungen gewesen war! Genau diese Neugier hatte sie in Dougalds Arme getrieben und in jene unerträgliche Ehe, um nur eins zu nennen.
Was als Grund genügte, nicht hineinzugehen.
Aber sie wollte wissen, wie seine Räume aussahen. Also schritt sie beherzt vorwärts und mit hoch erhobener Kerze mitten hinein in Dougalds Salon.
Im Kamin glommen ein paar Kohlen und warfen ihr schwaches Licht auf Möbel und Teppiche. Von hier aus betrachtet, unterschied sich sein Leben durchaus von ihrem im Flügel der Tanten. Der Salon war zwar groß, das Schlafzimmer größer; doch die Teppiche waren verschlissen und fad, die Stickerei auf den Sitzpolstern ausgefranst, und die Tapeten mochten einmal die neueste Mode gewesen sein – aber das war mindestens vierzig Jahre her. Wie Mrs. Trenchard gesagt hatte, rauchte der Kamin. Der Mann, der so hart für seine Annehmlichkeiten gearbeitet hatte, schien nur noch zu arbeiten, sich aber nicht mehr um Annehmlichkeiten zu kümmern.
»Ist das scheußlich!« Sie fuhr mit der Hand über den hässlichen, abgetragenen Bezug eines Sitzkissens. »Wirklich grauenhaft. Wer hat diesen Stoff ausgesucht, der Dorfschmied?«
Die Tür schlug gegen die Wand, und Dougald sagte: »Ich glaube, es war Tante Springs Großmutter, die ihn schön fand.«
Hannah tat einen Sprung und wirbelte herum. Heißes Wachs tropfte auf ihre Hand, und bloßer Instinkt hinderte sie daran, die Kerze fallen zu lassen.
Dougald musterte sie aus grünen, glimmenden Augen. Er trat über die Schwelle. Die breiten Schultern schienen die Tür auszufüllen, die Fäuste ruhten auf den Hüften, und er wirkte noch größer als sollst. Die Haltung war eine Botschaft. Sie würde nicht an ihm vorbeikommen.
»Was machst du denn hier?«, fragte Hannah entgeistert.
Er hob eine Braue.
Ach ja, das war
seine Suite!
»Du fragst dich vermutlich, was
ich
hier tue. Nun … ich habe … geschaut.« Sie hörte sich schuldbewusst an. Miserabel. »Ich wollte dich sprechen.« Na, also. Schon besser. Mit fester Stimme gesprochen.
»Ich war aber nicht da.«
»Deshalb kam ich herein, um auf dich zu warten.«
»Wie … absolut … kühn … von dir«, meinte er gedehnt.
Seine Häme erinnerte sie daran, wie entrüstet sie eigentlich war, und sie schüttelte das schlechte Gewissen ab wie die Ente das Wasser. »Wenn du mich angehört hättest, als ich dich um einen Moment Geduld ersuchte, wäre ich nicht zu solch einem Schritt gezwungen.«
»Ich hatte keine Lust, mir dein Genörgel anzuhören.«
»Genörgel?« Weil sie höchstselbst die Königin nach Raeburn Castle eingeladen hatte? Sie runzelte die Stirn. »Worüber?«
»Unsere Ehe. Deine Familie.« Er hob die Hand und spreizte die Finger. »Oder worüber auch immer.«
Es war unerträglich, wie er meinte, ihre Gedanken lesen zu können. »Ich brauche nicht herumzunörgeln hinsichtlich meiner Familie, ich habe mit Tante Spring gesprochen.«
Sie erwartete einen Wutanfall. Stattdessen lächelte er kühl. »Das dachte ich mir.«
Vielleicht hatte er nicht richtig verstanden. »Ich weiß jetzt nicht nur, wie meine Großeltern heißen, sondern auch, wo sie wohnen.«
»Schön für dich.«
Ach, wirklich? Weder sah er sie finster an, noch drohte er ihr. »Ich habe vor hinzufahren, Dougald. Und du wirst mich nicht davon abhalten.«
»Sicher. Fahr nur.« Er lehnte salopp an einem der Stühle. »Und lass mich wissen, was die Burroughs dazu sagen, dass da jemand aus dem Nichts auftaucht und sich als ihre Erbin vorstellt.«
»Ihre Erbin?«, wiederholte Hannah verständnislos.
»Sie haben ein nettes kleines Vermögen. Und ein hübsches Haus. Und kein e Nachfahren. Ich würde wirklich gerne hören, wie sie reagieren, wenn du behauptest, ihre verschollene Enkelin zu sein.«
Er hatte sehr wohl verstanden. Besser als Hannah selbst. »An Geld bin ich nicht interessiert, und das Anwesen gehört bestimmt zu einer Erbfolge.« Sie war sich sofort darüber im Klaren, wie wenig überzeugend sich das angehört hatte. Keiner würde je glauben, dass eine Waise, eine Frau, die für ihren Lebensunterhalt arbeiten musste, kein Interesse am
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