Zärtlicher Hinterhalt
überhaupt zu der Verletzung gekommen? Wenn er erst mit den Zimmerleuten fertig war, würden die sich wünschen, Gärtner geworden zu sein! »Rufen Sie den Doktor«, befahl er Mrs. Trenchard.
»Der Doktor ist ein Trunkenbold.« Mrs. Trenchard winkte die Serviererin herein und nahm den Kasten zur Hand. »Ich kümmere mich lieber selber um Miss Setterington.« Sie schaute in Dougalds skeptische Miene. »Meine Mutter war nicht nur Miss Springs Amme, sondern auch Hebamme für die ganze Grafschaft. Sie hat mir viel beigebracht. Ich versichere Ihnen, Mylord, Miss Setterington ist bei mir in guten Händen.«
Dougald zögerte noch, aber Mrs. Trenchard schien sich ihrer Sache sicher zu sein, öffnete den Kasten und holte eine ganze Kollektion von Tiegeln heraus. Dougald erteilte ihr mit kurzem Nicken seine Erlaubnis.
Mrs. Trenchard ordnete die Tiegel auf dem schmalen Tischlein am Kopfende des Betts und schaute sich um. »Miss Setterington«, sagte sie entrüstet. »Sie haben ja schon Ihren ganzen Wochenvorrat Kerzen abgebrannt!«
»Was soll das denn … ihr Wochenvorrat?« Seine Lordschaft hatte keine Ahnung, wovon die Haushälterin sprach.
Mrs. Trenchard nahm eine Rolle weißen Verbandstoffs in die Hand. »Die unteren Bediensteten bekommen acht Kerzen die Woche. Also eine pro Abend und zwei am Sonntag, was viel ist – weil sie zu viert ein Zimmer bewohnen. Wenn sie sparsam damit umgehen, können sie ihren Müttern daheim ein paar Kerzen mitbringen. Die höheren Dienstgrade bekommen fünfzehn Kerzen wöchentlich. Also zwei pro Abend und drei am Sonntag. Miss Setterington hat ihr Quantum überzogen.«
»Ja«, bekannte Hannah. »Ich … ich habe noch bis spät gelesen.«
Eine Lüge. Sie und Dougald hatten die Kerzen während ihrer gemeinsamen Nächte verbraucht.
»Das hatte ich befürchtet«, meinte Mrs. Trenchard. »Das kommt von diesem Bücherzeug! Es tut mir Leid, Miss Setterington, aber vor Sonntag bekommen Sie keine mehr.«
»Natürlich bekommt sie welche«, protestierte Dougald.
»Bitte, das spielt doch keine Rolle.« Hannah boxte verstohlen seine Hüfte. »Nächste Woche teile ich sie mir besser ein.«
Wie es sich gehörte, ignorierte Mrs. Trenchard Hannah und wandte sich direkt an den Hausherrn. »Wie Sie wünschen, Mylord. Aber es sind Ihre Talgkerzen, die ich zu sparen versuche, Lind für die anderen Bediensteten wäre das kein gutes Beispiel.«
»Talgkerzen kann ich mir gerade noch leisten.« Er starrte Hannah an.
Diese starrte zurück.
Aber ihre feuchten Augen verdarben den Effekt. Frauen. Ihre Tränen ließen viele Männer schwach werden. Wäre er ein Mann gewesen wie sein Vater, hätte es ihn nicht gekümmert, ob sie weinte. Er hätte jedem spontanen Gefühlsausbruch und jeder flehentlichen Bitte ungerührt gegenübergestanden. Wäre Hannah ein wenig später nach Raeburn Castle gekommen, hätte er vielleicht rechtzeitig jenes Niveau an Gleichgültigkeit erreicht. Aber so wie die Dinge lagen .
»Miss Setterington ist mehr als eine höhere Angestellte.«
»Bitte, Mylord, könnten Sie uns alleine lassen?« Hannah wollte offensichtlich nicht, dass Dougald ihr zur Seite sprang.
Er reichte ihr sein Taschentuch.
Sie machte freimütig davon Gebrauch.
Mrs. Trenchard reichte den Verbandsstoff an die Serviererin weiter und sagte: »Reißen Sie das zum Bandagieren in Streifen.« Sie hob Hannahs Kinn und begutachtete ihre Schürfwunde. »Verzeihen Sie, Mylord, aber bevor Miss Setterington hier angekommen ist, haben Sie ausdrücklich angeordnet, sie nicht zu bevorzugen.«
Tatsächlich hatte Dougald sich nach exzessivem Weinkonsum ziemlich ungebührlich über seine Gattin geäußert. Nicht, dass er Mrs. Trenchard von seiner Ehe berichtet hätte, das wohl aller Wahrscheinlichkeit nach nicht. Aber sie hatte sich über den Grund des Ausbruchs bestimmt ihre Gedanken gemacht. »Miss Setterington wird ihrer Verletzungen wegen vielleicht nicht schlafen können.« Er entsann sich Mrs. Trenchards hingebungsvoller Sorge um Tante Spring und setzte hinzu: »Immerhin hat sie die Tanten vor einem Unglück bewahrt.«
Mrs. Trenchard nickte. »Das kann schon sein, ist aber noch lange kein Grund, die Regeln zu unterlaufen. Als Nächstes wollen Sie vielleicht noch die Sperrstunde abschaffen.«
Dougald fragte sich langsam, ob er überhaupt wusste, was in seinem Hause vor sich ging. »Welche Sperrstunde?«
»Die ab neun Uhr abends. Damit die Bediensteten sicher in ihren Zimmern verwahrt sind und keiner Schaden nimmt … in
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