Zärtlicher Hinterhalt
der Dunkelheit.«
Von alledem begriff Dougald keine Silbe; aber die Serviererin schaute ihn an, wie alle Serviererinnen ihn anzuschauen pflegten – mit einer Angst im Blick, die an Hysterie grenzte. Er wies mit knapper Kopfbewegung auf das Mädchen. »Glaubt sie, ich könnte sie umbringen?«
Das dumme Weibsbild nickte. Sie nickte doch tatsächlich!
»Um Himmels willen, Mädchen, du bist mir doch völlig egal.«
Sein ungeduldiges Knurren schien die Kleine nicht im Geringsten zu beruhigen. Vielmehr riss sie die Augen noch weiter auf und schrak vor ihm zurück.
»So ermutigt man bestimmt niemanden«, keifte Hannah.
Mrs. Trenchard klopfte dem jungen Ding auf die Schulter. »Du kannst jetzt gehen. Ich brauche dich nicht mehr.«
»Warte!« Dougald mühte sich ab, Hannah das dünne Kissen zurechtzuzupfen. »Geh in mein Schlafzimmer und bring Miss Setterington eines von meinen Kissen.«
Das Mädchen schluckte vor Entsetzen.
»Nein, bitte nicht«, sagte Hannah. »Mylord, ich bedarf keiner Privilegien. Ich möchte nur, dass Mrs. Trenchard sich um mich kümmert, damit ich schnell wieder zu den Tanten kann. Sie brauchen mich, um den Wandteppich fertig zu stellen.«
Dougald drückte sie nach unten. »Darüber machen wir uns später Gedanken.« Was Hannah brauchte, war eine Dosis Laudanum. Der Hausherr und seine Wirtschafterin wechselten viel sagende Blicke.
Mrs. Trenchard winkte ihm zu und sprach dann mit dem Mädchen, das sogleich davoneilte.
»Nun, Mylord, wenn Sie bitte nach draußen gehen würden.«
»Nein.« Er pflanzte sich am Fußende des Bettes auf. »Ich bleibe hier!«
»Unsinn«, protestierte Hannah. »Das geht nicht.«
Dougald bedeutete Mrs. Trenchard anzufangen.
Kapitel 20
»Wenn man bedenkt, was bei dem Unfall hätte passieren können, hat Miss Setterington Glück gehabt.« Damit scheuchte Mrs. Trenchard Dougald aus der Schlafkammer, wo Hannah auf Dougalds Kissen gebettet lag und den speziellen Beruhigungstee von Raeburn Castle schlürfte, während eines der Dienstmädchen über sie wachte. »Wie Sie gesehen haben, hat sie Abschürfungen am Bein und Splitter in der Handfläche. Der verstauchte Knöchel und die eingerissenen Nägel werden ihr ziemlich zu schaffen machen; außerdem hat sie sich das Kinn hart angeschlagen.«
So wie Mrs. Trenchard in Hannahs Kammer agiert hatte, war Dougald überzeugt, dass seine Haushälterin wirklich etwas von Krankenpflege verstand und er ihr vertrauen konnte. jetzt fragte er sich, was Charles auf der Jagd nach dem Missetäter wohl herausgefunden hatte. »Kommen Sie mit«, forderte er Mrs. Trenchard auf und lief den Gang hinunter. »Wie lange wird sie das Bett hüten müssen?«
»Heute auf jeden Fall und vielleicht auch morgen. Und die nächsten Tage sollte sie so viel wie möglich sitzen, um das Bein zu schonen.«
»Sorgen Sie dafür, dass sie es auch tut.« Dougald betrachtete Mrs. Trenchard, die neben ihm dahineilte, von der Seite. Die Frau hatte sich heute fabelhaft bewährt. »Sie sind schon seit vielen Jahren hier.«
»Mein ganzes Leben lang.«
Er blieb stehen, hob die vergessenen Schuhe auf und schaute ihr in die Augen. »Dann kennen Sie Sir Onslow gut.« War da ein Anflug von Argwohn in ihrem Gesicht, oder reagierte sie einfach nur, wie Bedienstete eben reagierten, wenn man sie ausfragte?
»Ich kenne ihn von Kindesbeinen an.«
»Würden Sie ihn für einen liebenswerten Charakter halten?«
»Er ist ein netter Mann.«
Womit Dougald exakt so klug war wie zuvor. Er marschierte weiter. Sie keuchte ihm nach. »Gut zur Dienerschaft, meinen Speiseplan mag er, und ein hübsches Lächeln hat er auch.«
»Ein Charmeur eben.«
»Was nicht verboten ist!«
Es sei denn, er becircte Hannah. »Nein, überhaupt nicht«, stimmte er ihr zu. Mrs. Trenchard mochte Seaton, so viel war klar, und vielleicht sollte man das dieser kleinen Eiterblase Seaton positiv anrechnen. »Ich frage nur, weil er mein Erbe ist und ich mir überlegt habe, was er wohl für ein Hausherr wäre, falls mir etwas zustieße.«
»Ein guter«, antwortete Mrs. Trenchard prompt.
Sie stritt nicht etwa ab, dass Dougald etwas zustoßen könne. War es auch für Mrs. Trenchard eine ausgemachte Sache, dass er seinen Vorgängern auf dem Fuße folgen würde? »Aber er liebt London. Ich fürchte, er wäre ein selten gesehener Besitzer?«
»Ja, aus den Augen vielleicht, aber nicht aus dem Sinn.« Sie wurde langsamer. »Er …«
»Er?«
Als sie keine Antwort gab, drehte Dougald sich um und sah, wie sie
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