Zärtlicher Nachtwind - Kleypas, L: Zärtlicher Nachtwind - Tempt me at Twilight
überreichen, murmelte ein paar kryptische Worte und verschwand wieder.
Harry überflog die Nachricht mit verschlafenen Augen. Dann steckte er den Zettel in seine Manteltasche und lächelte Poppy reumütig zu. »Ich muss wohl eingenickt sein, während du mir vorlasest.« Er starrte sie an, und seine Augen strahlten eine Wärme aus, die sie noch nie bei ihm gesehen hatte. »Ein Zwischenspiel«, murmelte er, und ein Lächeln spielte um seine Mundwinkel. »Ich hätte gerne bald wieder eins.«
Dann verließ er den Raum, während sie noch nach einer Antwort rang.
Fünfzehntes Kapitel
Nur die wohlhabendsten Damen in London besaßen ihre eigene Kutsche und ihr eigenes Gespann, denn allein die Unterbringung und Instandhaltung einer solchen Annehmlichkeit kostete ein Vermögen. Frauen ohne eigene Ställe oder Alleinstehende waren gezwungen, Pferde, Einspänner und Kutscher bei einer Pferdevermietung zu bestellen, wann immer sie sich in London umtun wollten.
Harry hatte darauf bestanden, dass Poppy ihre eigene Kutsche und zwei Pferde bekommen sollte, und einen Konstrukteur aus einer Kutschenmanufaktur ins Hotel kommen lassen. Der Kutschenmacher sollte sich mit Poppy besprechen und die Kutsche individuell nach ihren Wünschen anfertigen. Poppy stand der ganzen Prozedur recht verständnislos gegenüber, ja, sie ärgerte sich sogar ein wenig, weil ihre beharrlichen Nachfragen über die Preise der einzelnen Materialien für Unmut gesorgt hatten. »Du bist nicht hier, um dir darüber Gedanken zu machen, was das alles kostet«, erklärte Harry. »Deine einzige Aufgabe besteht darin auszuwählen, was dir gefällt.«
Für Poppy hatte das eine jedoch mit dem anderen zu tun, Kosten spielten ihrer Erfahrung nach durchaus eine Rolle, wenn es darum ging, etwas auszuwählen … man sah sich alles an, was zur Auswahl stand, und verglich die Kosten, bis man sich schließlich für etwas entschied, das weder das Teuerste noch das Billigste war. Harry schien dieses Vorgehen jedoch als Beleidigung aufzufassen, als stellte sie damit infrage, dass er in der Lage war für sie aufzukommen.
Schließlich wurde beschlossen, dass das Äußere in elegantem Schwarz lackiert werden sollte. Innen würde man die Kutsche mit grünen Samtpolstern und hellem Leder ausstatten, und die Holzverkleidung sollte mit effektvollen Malereien ausgeschmückt werden. Außerdem würde es grüne Seidenvorhänge geben, und anstelle von Holzklappläden Jalousien … des Weiteren Schlafpolster aus Saffianleder … dekorative Schweißarbeiten auf der Außentreppe, versilberte Kutschenlampen und dazu passende Türgriffe … Poppy wäre nie in den Sinn gekommen, dass es so viel zu entscheiden gab.
Den Rest des Nachmittags verbrachte sie mit Monsieur Broussard, dem Küchenchef, Mr Rupert, dem Konditor, und Mrs Pennywhistle in der Hotelküche. Broussard war mit der Kreation einer neuen Nachspeise beschäftigt … oder treffender gesagt, er versuchte, eine Nachspeise, die er aus seiner Kindheit in Erinnerung hatte, nachzukreieren.
»Meine Großtante Albertine hat sie ohne Rezept gemacht«, erklärte er zerknirscht und nahm ein Bain-Marie aus dem Ofen. Darin eingebettet lagen ein halbes Dutzend kleine dampfende Apfelküchlein. »Ich habe ihr immer dabei zugesehen. Aber es ist mir völlig entfallen. Fünfzehnmal habe ich sie jetzt schon probiert, und sie sind immer noch nicht perfekt … aber quand on veut, on peut .«
»Wo ein Wille, da ein Weg«, übersetzte Poppy.
» Exactement .« Vorsichtig nahm Broussard die Nachspeise aus dem heißen Wasser.
Küchenmeister Rupert träufelte Vanillesoße und Schlagsahne über jedes Küchlein und verzierte das Dessert mit zarten Dekorblättern. »Sollen wir?«, fragte er und teilte die Löffel aus.
Feierlich nahmen sich Poppy, Mrs Pennywhistle und die beiden Küchenmeister jeweils ein Kuchenstück und kosteten es. Poppy ließ die Vanillesoße, die weichen säuerlichen Äpfel und den knusprigen Teig auf ihrer Zunge zergehen. Sie schloss die Augen, um die Konsistenz und den Geschmack der gelungenen Kreation noch mehr genießen zu können, und vernahm die zufriedenen Seufzer von Mrs Pennywhistle und Küchenmeister Rupert.
»Stimmt immer noch nicht«, erklärte Monsieur Broussard verärgert und warf der Nachspeise einen finsteren Blick zu, als wäre sie absichtlich aufsässig.
»Mir ist es egal, ob es stimmt oder nicht«, sagte die Haushälterin. »Es ist das Beste, was ich in meinem ganzen Leben probiert habe.« Sie wandte sich an
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