Zärtlicher Nachtwind - Kleypas, L: Zärtlicher Nachtwind - Tempt me at Twilight
ist mir wichtiger als dein Wohlergehen.«
»Das klingt ja fast so, als würdest du es ernst meinen.«
»Ich meine es ernst. Warum sollte ich nicht?«
»Weil dir deine Arbeit wichtiger ist als alles andere im Leben, sogar wichtiger als Menschen.«
Sichtlich verärgert fuhr er fort, sie zu massieren.
»Tut mir leid«, sagte Poppy eine Minute später. »Ich habe es nicht so gemeint. Ich weiß nicht, warum ich es gesagt habe.«
Ihre Worte wirkten wie Balsam auf Harrys Groll. »Du kannst sehr verletzend sein. Aber weil du beschwipst bist, sei dir verziehen.«
Mrs Pennywhistles Stimme ertönte an der Türschwelle. »Bitte sehr, meine Dame. Das wird hoffentlich reichen, bis der Doktor kommt.« Sie brachte ein Tablett mit allerlei Utensilien, darunter aufgerollte Leinenbinden, eine Salbendose und zwei bis drei große grüne Blätter.
»Wofür sind denn die?«, erkundigte sich Harry und nahm eins der Blätter. Er warf der Haushälterin einen fragenden Blick zu. »Kohl?«
»Ein sehr wirkungsvolles Heilmittel«, erklärte Mrs Pennywhistle. »Es lindert Schwellungen und lässt Blutergüsse verschwinden. Sie müssen nur die Mittelrippe durchbrechen und das Blatt ein wenig zerdrücken, dann binden Sie es um den Knöchel und legen den Verband an.«
»Ich möchte lieber nicht nach Kohl stinken«, protestierte Poppy.
Harry sah sie ernst an. »Mir ist es völlig egal, wonach es riecht, Hauptsache es wirkt und du fühlst dich besser.«
»Du musst das Gemüseblatt ja auch nicht an deinem Bein tragen!«
Wie zu erwarten war, setzte Harry sich durch, und Poppy ließ den Kohlwickel über sich ergehen.
»Fertig«, sagte er und verschnürte den Verband sorgfältig. Er zog den Saum ihres Nachthemds wieder über ihr Knie. »Mrs Pennywhistle, wenn Sie so freundlich wären …«
»Ja, ich werde nachsehen, ob der Arzt da ist«, sagte die Haushälterin. »Und ich muss mit den Hausmädchen sprechen. Aus einem unerfindlichen Grund schleppen sie die sonderbarsten Dinge an und türmen sie vor der Tür auf …«
Der Arzt war tatsächlich inzwischen eingetroffen. Stoisch wie er war, ignorierte er Harrys Bemerkung, der Doktor lasse hoffentlich nicht jedes Mal so lange auf sich warten, wenn es einen medizinischen Notfall gab, sonst würde die Hälfte seiner Patienten womöglich ihr Leben aushauchen, bevor er überhaupt über die Schwelle getreten war.
Nachdem der Arzt Poppys Knöchel untersucht hatte, diagnostizierte er eine leichte Verstauchung und verschrieb kalte Umschläge gegen die Schwellung. Er reichte Harry eine Flasche Tonikum gegen die Schmerzen und ein Einreibemittel für den gezerrten Muskel in ihrer Schulter und ordnete vor allem Bettruhe an.
Hätte Poppy nicht solche Beschwerden gehabt, dann hätte sie den Rest des Tages in vollen Zügen genossen. Harry hatte offensichtlich beschlossen, dass sie von vorne bis hinten bedient werden sollte. Küchenmeister Broussard schickte ihr ein Tablett mit Gebäck, frischen Früchten und Creme-Eiern aufs Zimmer. Mrs Pennywhistle brachte ihr eine Auswahl an Kissen, um es ihr noch bequemer zu machen. Harry schließlich hatte einen Diener in die Buchhandlung geschickt, und der gute Mann war wenig später mit einem Armvoll Neuerscheinungen zurückgekehrt.
Bald darauf brachte ihr das Hausmädchen ein Tablett mit hübschen Schachteln, die mit bunten Bändern verschlossen waren. Poppy öffnete eine nach der anderen. Eine Schachtel war gefüllt mit Toffee, eine andere mit Bonbons und wieder eine andere mit Türkischem Honig. Das Großartigste aber war eine Schachtel mit einer neuen Pralinenkreation, die sich »Essschokolade« nannte und die jüngst der letzte Schrei auf einer Londoner Messe gewesen war.
»Woher hast du denn diese Pralinen?«, erkundigte sich Poppy bei Harry, als er nach einem kurzen Besuch beim Empfangschef wieder in Poppys Zimmer zurückkehrte.
»Aus dem Süßwarenladen.«
»Nein, diese hier.« Poppy zeigte ihm die Schachtel mit den Essschokoladen. »Die sind doch gar nicht mehr erhältlich. Die Hersteller Fellows & Son haben ihren Laden geschlossen, weil sie derzeit in andere Räumlichkeiten umziehen. Die Damen vom Wohltätigkeitsessen hatten neulich darüber gesprochen.«
»Ich habe Valentine zum Wohnsitz der Fellows geschickt, um sie zu bitten, eigens für dich eine Portion herzustellen.« Harry lächelte, als er die zerknüllten Konfektpapiere sah, die ringsum auf der Tagesdecke verstreut lagen. »Wie ich sehe, hast du bereits gekostet.«
»Nimm dir auch eins«,
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