Zärtlicher Sturm
sie wieder ein Liebespaar würden, hätte sie nicht mehr die Kraft, die Ehe für ungültig erklären zu lassen. Sie mußte auf der Stelle fortgehen.
Sie bat Mack, ihr ein Pferd zu satteln, und als sie Charley schließlich im Stall fand, reagierte er nicht im mindesten auf ihre Stimme.
Zu ihrem Erstaunen sah Sharisse eine zweite Katze. Lucas mußte sie mitgebracht haben. Wie reizend von ihm! Aber sie durfte nicht zulassen, daß ein so simpler Umstand sie in ihrem Vorhaben beirrte. Sie mußte sich alles andere wieder ins Gedächtnis rufen, was er getan hatte.
Charley wollte seine neue Freundin offensichtlich nicht verlassen, doch Sharisse hatte nicht vor, ihn hierzulassen. Sie sperrte ihn in sein Körbchen und eilte weiter. Mack war ihr nicht gefolgt und hatte daher auch nicht sehen können, daß sie ihre Habe auf das Pferd band. Das einzige, was sie jetzt noch zu tun hatte, war, sich von Willow und deren Baby zu verabschieden.
Es war ein tränenreicher Abschied. Willow versuchte nicht, sie aufzuhalten. Sie stellte keine Fragen und schien sich vorstellen zu können, was Sharisse empfand.
Sharisse erreichte ohne jeden Zwischenfall die Stadt. Sie ließ das Pferd im Stall stehen, damit Lucas es dort finden konnte, und dann machte sie sich auf den Weg zum Hotel. Wilber, der vor dem Postamt saß, rief ihr zu, er habe einen Brief für sie.
Dieser Umstand an sich war schon eine Überraschung, doch das, was in dem Umschlag steckte, ließ sie einen Freudenschrei ausstoßen. Geld! Mehr als genug für ihre Heimreise. Sie konnte ihr Glück kaum fassen, daß das Geld ausgerechnet dann kam, wenn sie es am dringendsten brauchte. Jetzt brauchte sie niemandem mehr zur Last zu fallen und auch nicht das Risiko eingehen, Samuel Newcomb um Hilfe zu bitten. Sie konnte Newcomb verlassen, ehe Lucas auch nur etwas von ihrem Verschwinden ahnte.
Sharisse ging direkt zur Postkutsche, ohne sich auch nur die Zeit zu nehmen, Stephanies Brief zu lesen. Ihre einzige Sorge war, wann die nächste Kutsche fuhr. Ihre Glückssträhne hielt an, denn die Kutsche hatte Verspätung und wurde jeden Moment erwartet.
Das Warten war nervenaufreibend. Selbst, als die große, behäbige Kutsche in die Stadt rollte, mußte Sharisse noch eine weitere Stunde warten, weil die Pferde gewechselt wurden und der Kutscher eine Mahlzeit zu sich nahm.
Sie wartete in der Kutsche. Es war der reinste Backofen. Die Ledergardinen waren vorgezogen, doch hier konnte sie sich verbergen.
Sie fing gerade an, sich zu entspannen, als die Tür sich öffnete, Slade in die Kutsche stieg und sich neben sie setzte. Sie war absolut versteinert.
»Wie …?«
»Hab' dich in die Stadt kommen sehen«, sagte er. »Seit dem Moment an beobachte ich dich.«
»Aber was tust du in Newcomb?«
»Ich treibe mich nach Lust und Laune rum.« Seine Augen durchbohrten sie. »Und wohin fährst du, meine Schöne?«
Sie preßte die Lippen zusammen, denn ihm brauchte sie überhaupt nichts zu sagen.
»Keine Antwort?« fragte er forschend.
»Das geht dich nichts an«, sagte sie verbissen.
»So, da wäre ich mir nicht so sicher.« Er lehnte sich auf dem Sitz zurück und sagte in einem allzu beiläufigen Tonfall: »Ich habe Luke vor ein paar Tagen in Tucson gesehen. Ich habe ihm wohl nicht so recht geglaubt, als er gesagt hat, daß er die Schlinge zugezogen hat. Ich bin hergekommen, um die Wahrheit herauszufinden. Allerdings habe ich von etlichen Leuten gehört, daß ein Geistlicher eine ehrbare Frau aus dir gemacht hat.« Er seufzte. »Ehrbare Frauen habe ich noch nie gemocht.«
»Ist es nicht vielleicht umgekehrt?« fragte sie. »Daß die ehrbaren Frauen dich nicht mögen?«
Er lächelte. »So, meinst du? Aber wir haben gerade von deinem neuen Status gesprochen, Mrs. Holt, und darüber, ob das, was du tust, mich etwas angeht oder nicht. Mir scheint, solange du mit meinem Bruder verheiratet bist, geht es mich etwas an.«
»Unsinn«, fauchte Sharisse. »Du hast dir nie etwas aus deinem Bruder gemacht. Seine Gefühle haben dich nicht interessiert. Warum also willst du plötzlich seine Interessen wahren?«
»Wer spricht denn von seinen Interessen? Der Name, den du jetzt trägst, ist auch mein Name, meine Schöne. Glaubst du, ich will, daß es heißt, ein Holt könnte seine Frau nicht halten?«
Ehe sie auch nur ein Wort sagen konnte, fuhr er fort. »Du bist allein hier. Das sagt mir, daß Luke nichts davon weiß, daß du fortgehst. Und ich dachte wirklich schon, du wolltest nur ihn. Das hast du mir
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