Zärtlicher Sturm
über die Lage verloren hatte.
Zum Teufel mit Newcomb und seinen Einmischungen. Dieser Lump hatte auch noch geglaubt, den beiden einen Gefallen zu tun, indem er den Geistlichen auf die Ranch brachte, aber alles, was damit erreicht war, lief nur darauf hinaus, daß Lucas' Pläne nicht mehr aufgingen. Sechs Tage hatte er jetzt herumgegrübelt, und trotzdem wußte Lucas immer noch nicht weiter. Verdammt noch mal!
Vielleicht war es das Beste, wenn Sharisse weiterhin wütend auf ihn war. Mit Sicherheit würde es dadurch für sie beide leichter sein, wenn die endgültige Trennung kam.
»Weißt du was, Sharisse? Wenn ich dein Verhalten sehe, könnte ich fast glauben, daß du gar nicht heiraten wolltest.«
Seine Mutmaßung, die nur zu sehr der Wahrheit entsprach, ließ die Wut, die in ihr siedete, überkochen. »Wie kannst du so etwas behaupten?« gab sie zurück. Mit großen Schritten kam sie auf ihn zu. Sie hatte die Arme in die Hüften gestemmt. »Bin ich etwa nicht hierhergekommen, um zu heiraten? Habe ich denn nicht das Recht, erbost zu sein, wenn plötzlich alles ganz anders aussieht? Du hast mir gesagt, du würdest mir Zeit lassen, mich hier einzugewöhnen, Zeit, dich kennenzulernen. Das hast du mir selbst gesagt. Und ich war noch keine fünf Wochen hier, als wir auch schon verheiratet waren.«
»Ich finde, du hast mich in dieser Zeit recht gut kennengelernt«, sagte er höhnisch.
Sie errötete. »Darum geht es nicht«, beharrte sie. »Und außerdem – wenn das Verhalten von einem von uns beiden viel zu wünschen übrigläßt, dann ist es das deine. Du kannst nicht abstreiten, daß du an diesem Tag außer dir vor Wut warst, Lucas. Du warst so wütend, daß du direkt nach dem Geistlichen verschwunden bist, ohne dich auch nur zu verabschieden. Und du bist immer noch wütend. Ich wüßte wirklich gern, warum.«
Lucas sah ihr fest in die Augen. Er hatte jetzt zwei Möglichkeiten. Er konnte Sharisse beschwichtigen und ihre Beziehung wieder so werden lassen, wie sie vorher gewesen war. Oder er konnte zur Abwechslung ehrlich sein, womit er sie allerdings gegen sich aufbringen würde, und zwar endgültig. Wählte er die erste Möglichkeit, so nutzte das ihm, wählte er die zweite, so nutzte es ihr.
Um ihretwillen hatte er keine Wahl, und es blieb ihm nur eine Möglichkeit. Mit einstudierter Gleichgültigkeit sagte er: »Wenn ich hier ein wenig verstört wirke, dann liegt das ganz einfach daran, daß ich nie die Absicht hatte, dich zu heiraten, Sharisse.«
Sie starrte ihn stumm und ungläubig an.
»Was?«
»Es ist die Wahrheit.«
Sharisse war ganz elend zumute. All die Jahre, in denen sie sich wegen ihrer Größe und ihres zu dunklen Teints unattraktiv gefühlt hatte, brachen wieder über sie herein.
»Das verstehe ich nicht, Lucas. Ich … ich weiß, daß du geglaubt hast, vielleicht sei Stephanie deine Braut, aber du hast gesagt, daß das keine Rolle spielt. Und jetzt sagst du, daß es dich doch stört. Warum hast du mich nicht auf der Stelle wieder nach Hause geschickt, wenn du mich so indiskutabel findest?«
Der gequälte Blick in ihren Augen zerriß ihn innerlich. Er wollte sie in Wut bringen, nicht sie verletzen.
»Verdammt noch mal, du hast mich völlig falsch verstanden«, sagte er eilig. »Ich habe nichts gegen dich einzuwenden, Sharisse. Hör mal, ich habe noch nie eine begehrenswertere Frau als dich gesehen. Ich wollte nur einfach gar nicht heiraten – keine Frau, ganz gleich, wen. Das ist nicht persönlich gemeint.«
»Aber du hast eine Heiratsanzeige aufgegeben.«
»Ja, das habe ich getan.«
»Ohne jede Absicht, das Mädchen zu heiraten?«
»Ja, das stimmt.«
»Aber warum?« rief sie aus.
»Das, mein Liebling, geht dich nichts an.«
»Das geht mich nichts an? Oh … !« Sie wandte ihm wieder den Rücken zu, wirbelte jedoch bereits im nächsten Augenblick wieder herum. »Du hast mich ohne ehrenwerte Absichten verführt!«
»Ich habe keine Klagen aus deinem Mund vernommen.«
Sie ohrfeigte ihn, und sie hätte ein zweites Mal zugeschlagen, wenn er ihre Handgelenke nicht festgehalten hätte. »Du bist widerwärtig, Lucas!«
»Ja, vielleicht«, seufzte er. »Aber jetzt laß uns über dich reden und darüber, wer du wirklich bist.«
Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus. »Was … was meinst du damit?« fragte sie wachsam.
»Denk mal darüber nach. Wenn eine Frau behauptet, verwitwet zu sein, dann kann man davon ausgehen, daß sie keine Jungfrau mehr ist. Wie erklärst du den Umstand, daß du
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