Zärtlicher Sturm
ich mußte Vater einen Grund nennen, aus dem ich Joel nicht heiraten kann, und das war etwas, was ich für mich behalten wollte. Ach, ich weiß selbst nicht, warum ich überhaupt noch mit dir rede – nach allem, was du mir angetan hast.«
»Ach, Rissy, sei doch nicht so«, bettelte Stephanie. »Ich kann dir alles erklären.«
»Kannst du das wirklich?« fragte Sharisse erbost. »Dann fang doch mal damit an, daß du mir sagst, wo mein Schmuck ist. Ich war nämlich nur deshalb, weil ich ihn nicht hatte, gezwungen, bis nach Arizona zu reisen. Warum hast du mir den Schmuck weggenommen?«
»Ich weiß, wie impulsiv du bist, Rissy. Ich hatte Angst, du könntest es dir anders überlegen und gleich wieder zurückkommen. Und ich hatte doch recht, oder? Du hast sofort nach deiner Ankunft geschrieben, daß du nicht in Arizona bleiben willst.«
»Ja. Aber es gibt einen gewaltigen Unterschied. Nämlich den, ob man allein ist. In einem ruhigen, kleinen Städtchen. Oder ob man da ist, wo ich war.« Sharisse stieß die Worte durch zusammengepreßte Zähne heraus. »Kannst du dir überhaupt eine Vorstellung davon machen, wie es dort war? Dort kommt es noch zu Indianerüberfällen. Die Männer tragen Waffen an den Hüften und denken sich nichts dabei, einander zu erschießen. Und was die Sonne deiner Haut antut, kannst du an mir sehen, Stephanie.« Sie deutete auf ihr Gesicht. »Es handelt sich hierbei keineswegs um Theaterschminke, die ich aufgetragen habe. Es wird Monate dauern, ehe das wieder ausgebleicht ist.«
»Meine Güte, Rissy, warum hast du kein Wort von alledem in deinem Brief geschrieben?«
»Weil ich auf deine Gefühle Rücksicht genommen habe! Ich dachte, wenn du wüßtest, in welcher Lage ich wirklich war, hättest du dir solche Sorgen um mich gemacht, daß du nicht mehr sachlich gehandelt hättest, um unserer Situation ein Ende zu machen. Aber jetzt sehe ich selbst, daß es nichts geändert hätte. Du bedauerst nichts.«
»Das ist nicht wahr. Wenn es eine andere Möglichkeit gegeben hätte …«
»Ach, sei doch ruhig, Stephanie! Ich habe mir schon genug angehört.«
Sharisse stand auf und wandte sich von ihrer Schwester ab, doch Stephanie wollte nicht gehen. Sie sah auf Sharisse' steifen Rücken und sagte mürrisch: »Du hast Vater einen Grund dafür genannt, daß du Joel nicht heiraten kannst. Warum hast du diese Ausrede nicht schon früher benutzt? Dann hättest du gar nicht erst weggehen müssen.«
Sharisse, die vor ihrer Frisierkommode saß, funkelte Stephanies Spiegelbild wütend an. »Offensichtlich ist meine Begründung neueren Datums, denn sonst hätte ich das getan. Ich kann Joel nicht heiraten, weil ich schon einen Mann habe – und das habe ich meinem Aufenthalt in Arizona zu verdanken.«
»Was?« Stephanie fühlte sich plötzlich ganz elend. »Du hast ihn geheiratet? Aber das geht doch nicht!«
Sharisse drehte sich langsam auf ihrem Stuhl um. »So, das geht also nicht?«
»So war es doch nicht gedacht. Warum hast du das getan?«
»Man lebt nun einmal nicht mit einem Mann im selben Haus und weigert sich, ihn zu heiraten, wenn der Priester ins Haus kommt«, sagte Sharisse trocken. »Ich hatte keine Wahl.«
»Aber das ist ja entsetzlich, Rissy. Ich wollte nicht, daß dir so etwas zustößt.«
»Ich weiß«, sagte Sharisse seufzend.
»Was hat Vater dazu gesagt?«
»Begeistert war er nicht gerade.«
»Aber du bleibst doch nicht Mr. Holts Frau, oder?«
»Nein.«
»Kommst du wieder aus der Geschichte raus?«
Sharisse nickte. »Er wollte keine Frau haben.«
Stephanie schnappte nach Luft. »Doch. Er …«
»Er hat mir genausoviel vorgemacht wie ich ihm. Er hatte von Anfang an nie die Absicht, mich oder irgend jemanden zu heiraten.«
Stephanie war empört, aber schon dämmerte ihr wieder etwas. »O Gott! Wenn du ihn geheiratet hast, dann heißt das, daß du … mit ihm schlafen mußtest. Ohne ihn zu lieben. Wie gräßlich, Rissy. Mit Joel war es zwar nicht das, was ich mir davon erwartet habe, aber ich liebe ihn wenigstens. Du mußt ja so unglücklich gewesen sein.«
Sharisse lächelte gegen ihren Willen. »In der Hinsicht habe ich nicht zu klagen, Stephanie.«
»Soll das heißen, daß du ihn mochtest?« Das jüngere Mädchen war entgeistert.
»Lucas ist ein Mistkerl, sieht fantastisch aus, und es ist einem in seiner Gegenwart keine Sekunde langweilig. Er hat mehr schlechte als gute Eigenschaften, aber als Liebhaber war er superb, Steph. Ich war sehr glücklich.«
Stephanie wußte
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