Zaertliches Duell
hatte sie nicht das Gefühl, daß Entschlußkraft unter seinen vielen Tugenden zu finden sei. In seinem bescheidenen Auftreten ließ sich keine Spur eines starken Willens entdecken, auch nicht die entschlossene Energie, die Lucy charakterisierte.
»Und selbst wenn er seine Zustimmung nicht gibt, wird es irgendwie gehen«, sagte Lucy fröhlich. »Schließlich besitze ich auch ein hübsches Vermögen, und davon können wir leben, bis das dumme Treuhandverhältnis zu Ende geht.«
Doch hier widersprach Miss Tresilian und erklärte mit Bestimmtheit, daß weder sie noch Lucys Papa eine Verlobung zulassen könnten, die nicht die Billigung Lord Ivers fand. Lucy sagte geradeheraus wie immer: »Meine Liebe, du weißt, das ist Unsinn! Papa würde bloß sagen, daß du die Dinge so regeln sollst, wie du es am besten findest.«
Miss Tresilian lachte, aber dann erklärte sie: »Ich kann die Dinge nicht regeln, aber ich kann und muß im Augenblick eine Verlobung verbieten. Es tut mir sehr leid für euch beide, aber wenn Lord Iver sich nicht anders besinnt, bleibt euch nichts übrig, als zu warten, bis Arthur in den Besitz seines Vermögens gelangt.«
Man konnte nicht erwarten, daß zwei junge verliebte Menschen die Aussicht, drei Jahre auf ihre Verlobung warten zu müssen, anders als mit Bestürzung aufnahmen. Mr. Rosely verabschiedete sich in tiefer Niedergeschlagenheit von den Damen und sagte, er sei sicher, daß es ihm gelingen würde, Iver umzustimmen. Und Lucy machte sich sofort daran, ihre Tante davon zu überzeugen, daß ihre Zuneigung zu Arthur nicht die rasch vergängliche Verliebtheit eines Backfisches war.
Das war nicht nötig. Obwohl Lucy seit ihrer Kindheit praktisch in der Obhut ihrer Tante aufgewachsen war, trennten die beiden nur fünfzehn Jahre, und sie verstanden einander wunderbar. Miss Tresilian wußte, daß ihre Nichte weder unbeständig noch flatterhaft war. Man hatte sie in Bath sehr hofiert, aber bevor Mr. Rosely in Erscheinung getreten war, hatte kein Verehrer auch nur den geringsten Eindruck auf sie gemacht. Bei Mr. Rosely war es jedoch Liebe auf den ersten Blick gewesen, und nicht wegen seines hübschen Gesichtes. »Hübsch?« überlegte Lucy. »Ja, vermutlich ist er hübsch – o ja, natürlich. Das meinen alle! Aber um die Wahrheit zu sagen, ich habe für hübsche Männer nicht viel übrig, und griechische Profile sagen mir gar nichts!« Mit einem Leuchten in den Augen, das Miss Tresilian noch nie an ihr gesehen hatte, fügte sie hinzu: »Sein Naturell ist viel schöner als sein Äußeres. Er besitzt so viel Sensibilität – und so viel Einfühlungsvermögen! Es ist, als würden wir einander ein Leben lang kennen. Ach, liebste Tante, ich hätte nie gedacht, daß ich so glücklich sein könnte!«
Es war auch nicht anzunehmen, daß Lucy aufhören würde, Arthur zu lieben, noch machte sie die Liebe blind. Sie schien sich seiner Charakterschwäche bewußt zu sein, denn als ihre Tante vorzubringen wagte, seine Liebenswürdigkeit mache ihn vielleicht etwas zu beeinflußbar, erwiderte sie, ohne zu zögern: »Das stimmt. Damit will ich nicht behaupten, daß man ihn zu einer unkorrekten Handlung überreden könnte, denn er hat eiserne Prinzipien. Aber er ist sehr sanft veranlagt, und seine Schüchternheit bringt es mit sich, daß er sich mehr auf das Urteil anderer verläßt als auf sein eigenes. Das ist einer der Gründe, warum ich nicht vier Jahre warten kann und will, bis wir heiraten dürfen!«
»Lucy, mein Herz, kannst du mit einem Mann glücklich werden, der es zuläßt, daß du die Hosen anhast?«
»Um die Wahrheit zu sagen«, erwiderte Lucy schelmisch, »ich habe sogar den starken Verdacht, daß ich mit keinem anderen glücklich sein könnte! Du kennst meine hassenswerte herrische Veranlagung!« In ernsterem Tone fuhr sie fort: »Bitte hilf mir, Tante Elinor! Wenn es einen Grund gäbe, warum Lord Iver seine Einwilligung verweigert, verspreche ich, ich würde ihn respektieren. Doch es gibt keinen. Aber Arthur ist so gewöhnt, sich ihm unterzuordnen, daß er, wenn alles beinahe vier Jahre aufgeschoben wird – Ach, Tante, Lord Iver ist das scheußlichste Geschöpf auf Erden und mein Feind! Ich kann mich nicht irren! Ich traf ihn bloß einmal, als Mrs. Crewe mich auf den Walton-Ball begleitete und Arthur seinen Onkel zu mir brachte; aber wie der mich ansah! Wäre ich ein billiges kleines Mädchen auf der Jagd nach einem reichen Mann gewesen, er hätte nicht widerlicher sein können! Er muß
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