Zaertliches Duell
sie. »Erst wenn mein Großvater stirbt, und obwohl er zu glauben scheint, dies würde bald eintreten, kann man nie etwas Genaues sagen.«
»Sehr wahr. Sind wir also unterwegs, um bei Ihrem Großvater vorzusprechen?«
»Ja, und ich fürchte, er wird sich als sehr unliebenswürdig erweisen.«
»Sind eigentlich alle Ihre Verwandten unliebenswürdige Leute, Miss Trent?« erkundigte er sich.
»Bestimmt nicht. Mama und mein Stiefvater und die Kinder sind sehr liebenswerte Geschöpfe!« antwortete sie. »Tatsächlich fahre ich nur ihretwegen nach Bath. Wenn ich nur meinem Großvater besser gefiele als Joseph, dann könnten die Jungen nach Eton gehen und Klara Klavierunterricht nehmen und Mama noch einen Dienstboten einstellen, und Papa – Aber das kann Sie wohl nicht interessieren, Sir!«
»Ganz im Gegenteil. Und ist Joseph auch versessen darauf, dieses Vermögen zu bekommen?«
»Ja, und dabei hat er es gar nicht nötig! Sehen Sie, die Sache ist so: Mein Großvater zerstritt sich mit seinen beiden Töchtern – meiner Mama und Josephs Mama –, weil sie Männer heirateten, die er nicht leiden mochte. Sie sollten seinem Plan nach glänzende Partien machen, und das taten sie nicht. Mama riß mit Papa nach Gretna Green aus – denken Sie bloß! Er starb, als ich noch ein Baby war, und ich glaube, er war kein sehr ausgeglichener Mensch. Er war mit Lord Cleveland verwandt und diente im Ersten Infanterieregiment, aber seine Familie verstieß ihn. Das gleiche tat, wie ich glaube, das Erste Infanterieregiment«, setzte sie nachdenklich hinzu. »Mama sagt, er war sehr zügellos.«
»Die meisten aus dieser Familie sind es«, warf Sir Julian ein.
»Oh, wirklich? Ich habe sie nie kennengelernt. Papa ließ die arme Mama in argen Schwierigkeiten zurück, und wäre mein Stiefvater nicht gewesen, ich weiß nicht, wie sie sich zurechtgefunden hätte. Er heiratete sie, verstehen Sie, und sie sind sehr glücklich! Doch Papa hat ein nur karges Einkommen, und außer mir sind fünf Kinder da. Als mein Großvater unversehens schrieb, er fühle sein Ende herankommen und er müsse sein Vermögen jemandem hinterlassen, sollte ich Weihnachten bei ihm verbringen, vielleicht würde er dann mir alles geben. Ich hatte die Verpflichtung hinzufahren, und dann fand ich heraus, daß er auch nach Joseph geschickt haben mußte, aber ich glaube bestimmt, er mag mich besser leiden als Joseph, nicht wahr, Sir?«
»Miss Trent«, sagte Sir Julian, »sofern Ihr Großvater nicht völlig verrückt ist, brauchen Sie diesbezüglich keine Zweifel zu hegen!«
»Aber ich glaube, er ist es –«, sagte Miss Trent aufrichtig.
»Um wen handelt es sich denn? Wie heißt er?«
»Kennet, und er wohnt am Laura Place.«
»Guter Gott, doch nicht der Geizhals von Bath!?«
»Oh, kennen Sie ihn, Sir?«
»Nur seinem Ruf nach. In Bath erzählt man sich eine Menge Geschichten über seine Verrücktheiten. Ich fürchte, Sie werden ihn nicht mögen.«
»Ach, in einem solchen Fall muß man seine Gefühle eben unterdrücken«, sagte Miss Trent.
Er stimmte mit geziemendem Ernst zu, und während der nächsten Meilen ging er uneingeschränkt auf alle ihre Pläne hinsichtlich des Wohlergehens ihrer Familie ein.
Die Reise war lang und das Wetter rauh genug, um den meisten weiblichen Wesen zuzusetzen, doch Miss Trent blieb in jeder Beziehung munter. Sir Julian, der noch vierundzwanzig Stunden zuvor überzeugt gewesen war, jegliche Emotion, die das Dasein ihm bescheren konnte, erlebt zu haben, stellte zum Zeitpunkt, da sie die Vororte von Bath erreichten, fest, daß er sich zum erstenmal seit seiner Jugendzeit wieder verliebt hatte.
Es war dunkel, als das Karriol vor einem Haus am Laura Place hielt; die Straßenlampen waren bereits angezündet. »Müde?« fragte Sir Julian zärtlich.
»Ein klein wenig«, bekannte Miss Trent. »Aber Sie müssen vor Müdigkeit halbtot sein, Sir!«
»Ich habe noch nie einen Tag so genossen.«
Miss Trent erwiderte scheu: »Ich – ich auch nicht.«
»Wenn es sich so verhält«, bemerkte Sir Julian, »dann wollen wir eintreten und Ihrem Großvater ein bißchen um den Bart gehen.«
»Sie auch, Sir?« fragte sie zweifelnd.
»Gewiß. Ich muß doch seine Erlaubnis erbitten, Ihnen den Hof machen zu dürfen.«
»Mir – mir –? Oh!« sagte Miss Trent mit schwacher Stimme.
»Ja, darf ich?«
Miss Trent schluckte. »Ich habe irgendwie das unbestimmte Gefühl, ich sollte sagen, es sei zu plötzlich – oder etwas Ähnliches«, bekannte sie.
»Sagen
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