Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zaertliches Duell

Zaertliches Duell

Titel: Zaertliches Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgette Heyer
Vom Netzwerk:
überrumpelt, konnte Miss Morland nur nicken.

Schneeverwehung
    Eine dünne Schneedecke lag bereits auf der Erde, als die Bath-und-Bristol-Postkutsche an einem frostigen Dezembernachmittag um zwei Uhr Holborn verließ. Nur zwei mutige Herren wagten es, auf dem Kutschbock zu fahren; die Passagiere im Wageninnern waren ein pessimistisch dreinblickender Mann in einem dicken Schal, eine beleibte Dame mit verschiedenen Putzschachteln, ein untersetzter junger Mann mit zusammengekniffenen Augen sowie, Seite an Seite, eine junge Dame in einem roten Mantel und ein grobknochiges Mädchen vom Lande, das ihre Zofe zu sein schien.
    Die Dame in Rot und der junge Mann saßen einander gegenüber und tauschten gelegentlich Blicke voll unverkennbarer Abneigung. Bei ihrer ersten Begegnung im Hof des Gasthofs zum »Weißen Roß« hatte der Mann ausgerufen: »Du fährst nach Bath? Wohl bekomm’s!«, und die Dame hatte erwidert: »Du reist mit der Postkutsche, Joseph? Ich dachte, du würdest erst später fahren.«
    »Ich bin keiner, der Zeit verschwendet«, hatte der Mann mit Nachdruck geäußert.
    Seitdem hatten sie sich in kein Gespräch mehr eingelassen.
    Die Postkutsche hatte Verspätung. Bei der Maidenhead-Maut wirbelten die Schneeflocken ganz dicht, und es war unangenehm kalt. Der junge Mann wickelte sich in eine Decke, die junge Dame summte eine kecke Melodie; sie hatte sich nicht mit einer Decke versorgt.
    Die Kutsche fuhr immer langsamer. In Reading stieg die beleibte Dame aus, und ihren Platz nahm ein Bauer ein, der behauptete, er könne sich nicht an einen so harten Winter erinnern, und gleichzeitig prophezeite, daß die Straßen zu Weihnachten bereits sechs Fuß tief verschneit sein würden. Der Pessimist meinte, daß er schon zu Beginn der Reise gewußt habe, sie würden niemals ihren Bestimmungsort erreichen.
    Die Kutsche mühte sieh weiter, doch nach Theale gewann sie ein wenig an Fahrt, und die Reisenden hatten etwa zehn Minuten lang die Hoffnung auf eine Wetterbesserung. Doch dann begann der Schnee noch dichter zu fallen, der Kutscher verlor die Orientierung, und der Wagen schlingerte auf der Straße in eine tiefe Schneewehe.
    Sie kippte um und prallte mit Wucht auf die Straße. Die zwei außen sitzenden Passagiere purzelten über den Straßenrand in ein Feld, und die Insassen landeten in einem Durcheinander auf der linksseitigen Tür.
    Der untersetzte junge Mann war der erste, der sich befreite und die rechtsseitige Tür aufstemmte. Er zwängte sich hindurch, wobei er den Pessimisten brutal zur Seite stieß, tappte im tiefen Schnee umher und fiel schließlich hin, ein Umstand, der dem Pessimisten ein herbes Vergnügen bereitete.
    Der Bauer und die junge Dame waren zu sehr mit der Zofe beschäftigt, die höchst ungeschickt gefallen war, als daß sie sich um diesen Zwischenfall gekümmert hätten. Die Zofe sagte mit schwacher Stimme: »Ich habe mir das Bein gebrochen, Miss Sophy.«
    »Oh, Sarah, sag so etwas nicht!« flehte ihre Herrin.
    »Nun, genau das ist passiert«, sagte der Bauer freimütig. »Wir müssen sie da rausbringen, Fräuleinchen.« Er rappelte sich auf, um aus der offenen Tür zu spähen, und rief: »He, Sie! Kommen Sie her und legen Sie mit Hand an bei dem armen Frauenzimmer da! Etwas plötzlich, ja?«
    Derart ungestüm aufgefordert, kam der junge Mann zur Kutsche zurück und fragte ziemlich ungnädig, was man von ihm wolle. Er schien nicht geneigt, Hilfe zu leisten, und die junge Dame, die sich vergeblich bemüht hatte, ihre Kammerjungfer in eine bequemere Lage zu bringen, hob ihr gerötetes Gesicht und blitzte ihn mit großen grauen Augen zornig an: »Du bist der widerlichste Schuft, den es gibt, Joseph! Augenblicklich hilfst du Sarah heraus, oder ich werde meinem Großvater erzählen, wie ungefällig du gewesen bist!«
    »Du kannst ihm erzählen, was du willst – wenn du Bath erreichst, was dir wahrscheinlich nicht gelingen dürfte, meine geschätzte Cousine«, gab Joseph zurück.
    »Halten Sie den Mund und tun Sie, was ich Ihnen sage«, unterbrach ihn der Bauer. »Kommen Sie zuerst raus, Fräuleinchen, Sie sind mir sonst im Weg!«
    Miss Trent griff nach der Decke ihres Cousins, die dieser liegengelassen hatte, und ließ sich dann von dem Bauern durch die Tür hinausheben. Ehe sie sich versah, wurde sie an Joseph weitergereicht, der sie aber sofort absetzte. Ihre Füße versanken bis über die Knöchel im Schnee, doch der Pessimist half ihr bis zur Straße. Während sie die Decke auf dem Schnee

Weitere Kostenlose Bücher