Zärtlichkeit des Lebens
Augenblick kam Byron herein und sah Sarahs Hand in Januels, sah den zärtlichen, vertrauten Blick, den Bounnet ihr zuwarf, sah Sarahs Lächeln. Er machte die Tür hinter sich zu und kam herein.
»Lassen Sie die Hand meiner Frau los!«
»Byron!« Verblüfft starrte ihn Sarah an. Bounnet ließ ihre Hand blitzschnell los, so plötzlich, daß sie vielleicht gelacht hätte, wenn ihr nicht der Ausdruck in Byrons Augen aufgefallen wäre. »Januel hat…«
»Unterstehen Sie sich, noch einmal meine Frau anzufassen.«
Byron schnitt Sarah das Wort ab, ohne einen Blick auf sie zu werfen. Seine Augen waren nur auf Januel gerichtet.
»Ich bitte um Entschuldigung«, sagte Januel steif, als er zur Tür hinausging.
»Wie konntest du nur?« fragte Sarah, sowie sie allein waren.
»Wie konntest du dich nur so idiotisch benehmen?« Sie schob ihren Stuhl weg und kam auf ihn zu. »Sag nie mehr
meine
Frau, als wäre ich eine teure Krawatte.«
Byron packte sie mit beiden Händen am Revers. »Ich dulde es nicht, daß du mit diesem Mistkerl Händchen hältst.
Verstanden?«
»Das duldest du nicht?« warf sie ihm hin.
»Du
duldest es nicht? Hör dir mal genau zu. Merkst du nicht, wie lächerlich das klingt? Du benimmst dich, als hättest du uns in flagranti erwischt.«
»Ich will ihn nicht mehr in deiner Nähe sehen. Ich mußte in Paris hinnehmen, daß er an dir herumfummelte. Ich mußte tatenlos im Bett liegen, obwohl ich wußte, daß er nebenan mit dir zusammen war. Aber ich muß nicht zuschauen, wie er dich jetzt begrabscht.«
Sarah bemühte sich, ruhig zu bleiben. »Niemand begrabscht mich, Byron, nicht einmal du. Und es ist jetzt ein bißchen spät, mir einen früheren Liebhaber vorzuwerfen. Ja, ich habe mit ihm geschlafen. Wolltest du eine Jungfrau? Dann hättest du dir eine andere suchen müssen. Wir hatten beide vorher andere Geliebte.
Willst du, daß ich dir eine Liste aufstelle?«
Er packte ihren Blazer fester und zwang sich, sie nicht zu schlagen. Jetzt war es ihm nicht mehr möglich, Recht von Unrecht zu unterscheiden. Und das wollte er auch gar nicht.
»Nicht Bounnet«, sagte er mit gebändigter Wut. »Du hältst dich zum Teufel noch mal von Bounnet fern.«
»Byron, ich…«
Er schnitt ihr das Wort ab, indem er sie in einen Sessel stieß und dann das Zimmer verließ.
28
Geschlagene zehn Minuten saß Sarah völlig reglos da. Erst mußte das Zittern aufhören, bevor sie nachdenken konnte.
Es war nicht bloße Eifersucht gewesen, sondern kaum erklärbare Raserei. Wenn jemand Sarahs wahre Gefühle für Januel kannte, dann Byron. Er hatte miterlebt, wie ihr diese Beziehung vor ihrer Hochzeit zu schaffen gemacht hatte. Aber, erinnerte sie sich, seine Einstellung Januel gegenüber war schon immer alles andere als freundlich gewesen. Im Rückblick auf die Wochen in Paris glaubte Sarah eigentlich nicht, daß Byrons Abneigung gegen Januel etwas mit ihr zu tun hatte. Zumindest nicht ursächlich.
Kopfschüttelnd stemmte sie sich aus dem Sessel hoch. Der eigentliche Kernpunkt für sie war, daß Byron ihr nicht vertraute, und das tat weh. Mit dieser Szene hatte er sie eher in die Kategorie Besitz denn Person gestellt. Und das, beschloß Sarah zornig, mußte sich rasch ändern.
Wenn er ein niedliches Frauchen gewollt hatte, das seinen Befehlen anstandslos gehorchte, hätte er eine andere heiraten müssen. Ihn zu lieben hieß nicht, daß sie nicht mehr Sarah Lancaster sein durfte. Vielleicht war ihre Idee, bei Haladay zu kündigen und ihre eigene Firma zu gründen, die Lösung?
Trennen wir unser Berufs- von unserem Eheleben, dachte sie.
Wenn sie nicht mehr für ihn arbeitete, würde das ihr Privatleben unter Umständen etwas entspannen. Und, gestand sie sich ein, dann würde auch nicht mehr der Zweifel an ihr nagen, daß man ihr besonders begehrte Aufträge zuschanzte, bloß weil sie die Frau von Byron Lloyd war.
Sie wollte an die Spitze gelangen, aber nicht indem sie sich jemandem an die Rockschöße klammerte. Zwar wünschte sie sich eine intakte Ehe, aber ihre Identität wollte sie dafür nicht opfern.
Sarah ging zum Telefon und drückte ein paar Tasten. Eine Viertelstunde später betrat sie Haladays Büro.
»Max, ich weiß es zu schätzen, daß Sie mich so prompt empfangen.« Er lehnte sich zurück, erhob sich aber nicht. »Es klang wichtig.«
»Ja, das ist es wahrscheinlich.« Sie merkte, daß sie aufgeregt war, nervöser als damals, als sie zum erstenmal sein Büro betreten hatte.
»Nehmen Sie Platz«, meinte er.
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