Zärtlichkeit des Lebens
York, nicht wahr?«
»Mhm.« Sarah zog die eine Tür des zweitürigen Medikamentenschranks auf, sah, daß er leer war und schloß sie wieder. Dallas wiederholte die Prozedur mit der anderen Tür. Im Spiegel trafen sich ihre Blicke für einige Zeit. Diesmal lag nichts Begutachtendes darin, sondern gegenseitige Sympathie.
»Sie sollen eine hervorragende Architektin sein«, warf ihr Dallas vor. »Hervorragende Leute machen mir nichts als Scherereien.«
»Bösartiger Klatsch«, versicherte ihr Sarah. Dann drehte sie sich um, um das Schlafzimmer anzuschauen. »Steht im Mietvertrag irgend etwas über Tapeten?« fragte sie. »Ich würde gern ein paar Wände tapezieren und hier drin einen Teil der Decke. In welcher Abteilung arbeiten Sie denn?« Sie zog sich das Maßband von den Schultern und drückte Dallas das eine Ende in die Hand. »Da, halten Sie mal.« Sie maß den Abstand zwischen Wandschrank und einem Fenster aus.
»Ich sage Ihnen das furchtbar ungern zu einem so frühen Zeitpunkt unserer Bekanntschaft. Ich bin Leiterin der Beschaffungsabteilung. Niemand kann den Leiter der Beschaffungsabteilung ausstehen.«
Sarah wickelte das Maßband auf und verzog mitfühlend die Lippen. »Ach, das ist doch bestimmt übertrieben.«
»Nein, nein. Kreative Gemüter bringen überhaupt keine Wertschätzung für Beschaffungsvorgänge auf.«
Sarah grinste. »Es ist ein elender Job, stelle ich mir vor.« Sie steckte sich das Maßband in die Potasche ihrer Jeans.
»Ach, ekelhaft«, stimmte Dallas fröhlich zu. »Ich kann mir keinen schöneren vorstellen.« Sie gingen durchs Wohnzimmer in die Küche. »Sie arbeiten doch mit Evan Gibson zusammen?«
»Hmmm…« Sarah hörte auf, im Geist ihre Möbel zu arrangieren, und schaute Dallas an. »Höre ich da nicht ein gewisses Interesse heraus?«
Während sie ein Fenster untersuchte, lachte Dallas sie entwaffnend über die Schulter an. »Ich bemühe mich seit über einem Jahr um Evan Gibson. Vielleicht sollte ich es mal mit Pralinen und Blumensträußen probieren. Womöglich ist er altmodisch.«
Sarah sah Dallas lange und gründlich an. »Sie sind viel zu intelligent für Evan, für diesen gräßlich bornierten Langweiler.«
Der Blick und der Kommentar überraschten Dallas so sehr, daß sie sich ganz herumdrehte. »Ich habe eine gewisse Schwäche für schöne Körper, ein Lächeln, das schöne weiße Zähne zeigt, und sonnengebleichtes Haar«, gestand Dallas.
»Spiel und Spaß und guter Sex. Andere Frauen mögen lieber den dunklen, rätselhaften Typ.«
»Wie Byron«, meinte Sarah, als sie mit der Begutachtung des Herdes fertig war. Selbstreinigend.
»Byron?
Himmel, erzählen Sie mir bloß nicht, daß Sie ihn auch in seinem Beisein so nennen!« Schockiert und beeindruckt zugleich zog sich Dallas auf die Küchentheke hoch, während Sarah leere Schränke durchstöberte, und ließ ihre langen Beine baumeln.
»So heißt er. Wie sollte ich ihn denn sonst nennen?«
»Ach, ich weiß nicht.« Sie zuckte mit den Schultern.
Sarah machte die Kühlschranktür auf, aber ihre Gedanken wanderten wieder zu dem Mann, an den sie im Verlauf dieser Woche nur allzu oft gedacht hatte. Was hat er nur an sich? fragte sie sich kopfschüttelnd und knallte die Tür zu. »Wie nennen Sie Mr. Haladay?« wandte sich Sarah wieder fragend an Dallas.
»Königlicher Gebieter?«
»Ich nenne ihn überhaupt nicht beim Namen. Ich werfe mich lediglich demütig zu Boden, wenn er vorbeigeht.«
»Muß sich ja verheerend auf Ihre Strumpfrechnung auswirken.«
»Ich freue mich, daß Sie meine Nachbarin werden.« Dallas verschränkte die Finger und streckte die Arme Richtung Decke aus. »Sie haben wohl keine schicken Klamotten aufgesammelt, als Sie in New York in Saus und Braus lebten?«
Sarah musterte Dallas’ jungenhaftes Gesicht. Manchmal entstehen Freundschaften auf den ersten Blick. Wenn ich sie extra bestellt hätte, dachte Sarah dankbar, könnte sie nicht gelegener kommen. »Ich habe ein Kleid von Halston, das schon lange nach einer Beschaffungsabteilungsleiterin zu lechzen scheint.«
»O Gott.« Dallas glitt von der Theke herunter und griff nach Sarahs Hand. »Nun, kommen Sie, unterzeichnen Sie den Mietvertrag, und dann machen wir uns ans Auspacken.«
4
Maxwell Haladay hatte ganz unten an der Karriereleiter angefangen. In der Tat sagte er gern, er habe den Sockel für die Leiter gegraben. Mit dreizehn Jahren hatte er mit der Schule aufgehört und einen Job als Zementmischer auf Baustellen angenommen. Es war
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