Zärtlichkeit des Lebens
stehen Sie nicht alleine.« Byrons Antwort fiel ruhig aus und stand so in völligem Gegensatz zu Sarahs wütend blitzenden Augen.
»Das weiß ich, aber deswegen muß es mir nicht auch gefallen.
Verflucht, werde ich denn nie auf andere Weise etwas Wichtiges bauen können? Bei Boumell war man der einhelligen Meinung, daß ich jung bin und viel Zeit habe. Aber das war noch nicht alles. Ich hatte drei Negativpunkte gegen mich. Ich bin eine Frau, und Frauen dürfen hauptsächlich zeichnen. Ich bin jung, und jungen Leuten traut man wenig Disziplin und Urteilsvermögen zu. Man hält mich für gutaussehend. Leider laufen noch immer viele Idioten herum, die glauben, daß eine gutaussehende Frau im Beruf nur deshalb Karriere macht, weil sie mit den richtigen Leuten schläft.«
»Damit haben Sie nicht ganz unrecht, aber auf Haladay trifft das nicht zu. Max weiß, daß Intelligenz nicht an ein Geschlecht gebunden ist.«
»Ja, das habe ich gehört.« Sie atmete tief durch und stützte sich wieder am Tisch auf. »Das ist einer der Gründe, weshalb ich mich bei Haladay beworben habe. Hören Sie, Byron, wir beide wissen um die Fortschritte, die Frauen im Berufsleben erzielt haben, aber die Architektur ist noch immer eine der letzten Männerdomänen.« Sie legte wieder die Stirn in Falten.
»Ich habe nicht Architektur studiert, um etwas zu beweisen.«
»Warum dann?«
»Weil ich bauen möchte. Ich möchte Häuser bauen, die nicht nur ästhetische Normen erfüllen, sondern auch funktional sind, Häuser, in denen Menschen leben können und an denen sie ihre Freude haben.«
»Klingt einleuchtend.«
Byron hörte auf, ihr Chablis nachzuschenken. Sie sah ihn freundlich und offenherzig an, als sich ihre Blicke trafen.
»Ich habe auf ein Projekt wie das Delacroix-Kulturzentrum gewartet. Natürlich weiß ich, daß Sie viele Aspekte in Betracht ziehen müssen, ehe Sie einen Architekten damit beauftragen.
Und ich erwarte keineswegs, daß ich den Auftrag lediglich deshalb bekomme, weil ich darum gebeten habe. Aber ich will ihn, da ich gut genug bin und ihn verdiene, und das werde ich unter Beweis stellen.«
»Es mangelt Ihnen wirklich nicht an Selbstvertrauen.«
»Das kann ich mir nicht leisten.« Sarah hob die Schultern.
»Ich bin ungeduldig.«
»Bekennen Sie damit einen Fehler oder eine Tugend?«
»Das können Sie sich aussuchen«, entgegnete sie mit einem strahlenden Lächeln.
»Sie hatten vor, eine eigene Firma zu gründen, als wir in Kontakt mit Ihnen traten?« Byron beobachtete, wie das Lächeln einem überraschten Gesichtsausdruck wich.
Sie fragte sich, wieviel Byron von ihr wußte. Daß wir darüber reden würden, dachte sie, damit habe ich nicht gerechnet.
Unschlüssig trank sie etwas Wein, dann schaute sie in ihr Glas.
»Ich war zu etwas Geld gekommen«, setzte sie mit beherrschter Stimme an – doch dann schlossen sich ihre Finger fester um den Stiel des Weinglases. »Meine Eltern kamen ums Leben, und ich erhielt Geld von der Versicherung.« Ihr Magen krampfte sich zusammen, und Schmerz schimmerte in ihren Augen. Ein ordentlicher kleiner Scheck, erinnerte sie sich. Dem Empfänger ist alles auszuzahlen, was von James und Penelope Lancaster übriggeblieben ist. »Daraufhin habe ich tatsächlich erwogen, eine eigene Firma zu gründen oder mich vielleicht nach einem Partner umzuschauen. Eins von beidem hätte ich wahrscheinlich auch gemacht, wenn ich nicht die Stelle bei Haladay bekommen hätte.«
»Wie kam es zu Ihrem Gesinnungswechsel?«
»Ich mußte mich zwischen meiner Eitelkeit und meinem Beruf entscheiden. Wenn ich für Haladay arbeite, weiß ich, daß ich bedeutende Gebäude bauen kann. Wenn ich selber ein Architekturbüro aufmache…« Sarah zuckte mit den Schultern.
»Wer weiß, ob einer meiner Entwürfe jemals realisiert worden wäre? Ich spiele gut genug, um das bessere Blatt zu erkennen.«
»Offenbar handeln Sie nicht nur gefühlsmäßig.« Sie lachte prompt und herzlich. Byron ließ den Blick kurz auf ihrem Mund verweilen, erinnerte sich an ihre feurige Reaktion auf seinen Kuß und ertappte sich bei der Überlegung, wie sie wohl mit offenem Haar und ohne Kleider aussah.
»Willen, Ehrgeiz, Ego…«, fuhr Sarah fort. »Ich glaube, wir beide haben davon unser Teil abgekriegt. Und dennoch arbeiten wir für ihn, nicht wahr?« Ihre Lippen wölbten sich, als sie die Gabel zum Mund führte. »Sie hatten recht mit der Quiche. Sie schmeckt köstlich.«
Sarahs Büro war schön nach Süden gelegen. Um die
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