Zärtlichkeit des Lebens
Sakkotasche nach Zigaretten langte, ruhte sein Blick weiter auf ihr. Er erwartete eine der bekannten Reaktionen: irgendwelche Spekulationen, Neugierde, herablassende Kommentare oder den Rückzug, an den er sich von seiner Jugend her erinnerte.
»Ach, deshalb.« Sarah klappte die Speisekarte zusammen und legte sie beiseite. »Für meine Wangenknochen ist wohl irgendein wilder keltischer Einschlag verantwortlich. Aber wie schmeckt denn hier nun die Quiche?«
Keine der Reaktionen, die Byron vorhergesehen hatte, wären Sarah in den Sinn gekommen. »Gut«, meinte er und winkte dem Kellner.
Sarah beobachtete ihn, als er die Quiche bestellte und einen Chablis auswählte. Sein Benehmen war tadellos. Sie merkte, daß ihr das besonders imponierte, weil sie dabei nichts Manieriertes spürte. Etwas Verwegenes in seinen Augen ließ in ihr den Wunsch aufsteigen, tiefer unter die Oberfläche zu schauen. Sie wollte Byron Lloyd besser einordnen können und herausfinden, weshalb er sich so von anderen unterschied.
Er ist anders, sinnierte sie, während sie mit halbem Ohr Byrons Gespräch mit dem Kellner verfolgte. Glatt und ruhig nach außen, aber darunter brodelte es. Ob er wohl Befehle ebenso leicht entgegennimmt, wie er sie erteilt? Sie dachte an Maxwell Haladay und runzelte die Stirn. Die beiden verband eine Vertrautheit, ein gegenseitiges Verstehen, das keiner Worte bedurfte. Einen Augenblick fragte sie sich, wer wirklich Haladay Enterprises managte. Byron wandte sich wieder Sarah zu und bemerkte ihre gefurchte Stirn und ihren konzentrierten Blick. Er hob eine Braue und wartete, daß sie zu reden anfinge.
»Ich frage mich, wer Sie sind«, meinte sie. »Ich frage mich, was Sie sind.«
Er lächelte, und sein Lächeln war eine Herausforderung.
Finden Sie es doch heraus,
teilte es ihr mit.
Wenn Sie können.
»Sind Sie schon am Umziehen?« fragte er nach einer Pause. »Ja, ich bin gerade dabei.« Der Kellner brachte den Chablis und schenkte ihnen ein. Byron und Sarah kosteten den Wein. Sarah ließ ihn kurz auf der Zunge verweilen, er war kühl und trocken.
»Meine Möbel kommen morgen aus , New York. Wir haben an den Abenden ein paar Schönheitsreparaturen vorgenommen.«
»Wir?«
»Dallas und ich. Dallas Darcy, die Leiterin Ihrer Beschaffungsabteilung.« Byron erinnerte sich vage an eine schlanke Frau mit einem Wust fuchsroter Haare. »Ihr gefällt meine Pendelleuchte, aber sie besteht darauf, daß ich noch ein paar hiesige Töpfersachen kaufe. Meine Einrichtung ist ihr anscheinend viel zu ostküstenmäßig.« Und ich bin es auch, dachte sie in einem plötzlichen Anfall von Heimweh.
»New York geht Ihnen ab.« Bei dieser Feststellung schaute sie ihm wieder in die Augen und bewegte unruhig die Schultern; sie ärgerte sich über sich selber.
»Ich habe in den vergangenen paar Monaten gelernt, daß ich mich nicht schnell an veränderte Situationen gewöhne.«
»Das würde auch gar nicht zu Ihnen passen.«
»Wahrscheinlich haben Sie recht. Ich habe gern alles unter Kontrolle. Darin ähneln wir uns.«
»Wollen Sie deswegen das Delacroix-Projekt leiten?« Sarah antwortete nicht sofort, sondern drehte den Stiel des Glases zwischen den Fingern und schaute zu, wie der Wein hin und her schwappte. Sie hatte gewußt, daß er sie das früher oder später fragen würde, hob den Blick und sah ihm in die Augen.
»Ich möchte das Delacroix-Projekt, weil ich weiß, daß ich das schaffe, und zwar gut. Bei Boumell wurde ich in erster Linie beim Entwurf beschäftigt, oder besser als gefeierte Dekorateurin. Ich bin Architektin, Byron, und eine verdammt gute.« Sarah hielt einen Moment inne, dann stellte sie nachdenklich das Glas ab. »Man hat mich mit der Unitarierkirche, die Max so gut gefallen hat, betraut, weil ein Freund von mir ein paar Fäden gezogen hat.« Sie atmete schnell und ungeduldig aus, während sich auf ihrem Gesicht Widerwillen zeigte. »Ich gebe das gar nicht gerne zu.«
»Nun, das ist deutlich zu sehen.« Byron schaute sie an.
»Warum haben Sie es mir denn gesagt?«
»Weil wir zusammenarbeiten werden. Weil ich möchte, daß Sie mich verstehen.« Die zweite Bemerkung war Sarah entschlüpft, ehe ihr dieser Gedanke überhaupt bewußt geworden war. »Boumell hätte mir diesen Auftrag nie gegeben, wenn man nicht ausdrücklich nach mir verlangt hätte. Ich wußte, daß das Projekt ideal für mich war und daß ich genau dadurch Anerkennung gewinnen konnte. Ich lechzte danach. Also habe ich Beziehungen spielen lassen.«
»Da
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