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Zahltag

Zahltag

Titel: Zahltag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Fylis-Straße auf einen Fahrer, der gerade
ausparkt.
    Chomatas sitzt vor seinem Schwarzweißgerät und guckt eine jener
Sendungen, in denen alle gleichzeitig aufeinander einreden, ohne irgendetwas zu
sagen. Er fühlt sich zu einer Erklärung genötigt, warum er seine Arbeit liegen
lässt und sich stattdessen eine schwachsinnige Fernsehshow reinzieht.
    »Die Nachfrage ist wegen der Krise eingebrochen«, erläutert er mir.
»In meinem Fall kommt noch dazu, dass ich durch die Gefängnisstrafe
gebrandmarkt bin und keiner was mit mir zu tun haben will. Mit meinem Sortiment
ziehe ich von Laden zu Laden, aber die Leute nehmen mir nichts ab, ja viele
machen selbst Räumungsverkauf.« Dann wechselt er das Thema: »Ich habe mich
nicht bei Ihnen gemeldet, weil mir zu Ihrer Frage nichts eingefallen ist.
Ehrlich gesagt habe ich gar nicht weiter darüber nachgedacht. Meine eigenen
Sorgen überschatten eben alles andere.«
    »Ich hab Sie heute auf einem Video gesehen«, bemerke ich.
    [384]  »Auf einem Video?«, wundert er sich.
    »Ja, auf einer dieser DVD s für
Touristen zu verschiedenen archäologischen Stätten.«
    Er erinnert sich sofort. »Ach ja, das war einer dieser Filme, die
Nassiotis gedreht hat.« Er lacht bitter auf. »Er hatte Glück, dass er mich noch
erwischt hat, bevor ich ins Gefängnis musste. Kurz darauf hätte er mich und
meine Werkstatt gar nicht mehr vorgefunden.«
    Ich versuche mich dem Thema, das mich interessiert, auf Umwegen zu
nähern. Wenn ich ihn direkt nach Nassiotis frage, wird er vielleicht hellhörig
und macht die Schotten dicht. »Es war ein Film über die Pnyx und den
Musenhügel«, sage ich. »Sehr sehenswert.«
    »Ja, der Mann versteht sein Handwerk. Tja, er hat es ja auch in
Deutschland gelernt, da lernt man sein Metier von der Pike auf. Da geht’s nicht
so schludrig zu wie bei uns!«
    »Dann müssen Sie ihn ja ganz gut kennen«, schlussfolgere ich.
    »Nicht wirklich, er ist bloß ein paarmal hier gewesen, um sich die
Werkstatt und meine Arbeitsweise anzusehen, bevor er die Aufnahmen machte.
Danach haben wir uns aus den Augen verloren, da ich ja, wie Sie wissen, für
längere Zeit ›verhindert‹ war.« Wieder ertönt sein bitteres Lachen. »Vor zwei
Tagen jedenfalls hat er etwas getan, das mich wirklich gerührt hat.«
    »Ja? Was denn?«
    »Er hat mich besucht. Er hatte davon gehört, was mir alles
zugestoßen war, und kam vorbei, um mir hallo zu sagen und mich aufzumuntern.
Das hat mir gutgetan. Seit ich aus dem Knast entlassen wurde, hat sich sonst
keiner blicken lassen.«
    [385]  Ich bemühe mich, meine innere Anspannung nicht zu verraten, sonst
verpasst er sich womöglich selbst einen Maulkorb. »Wissen Sie vielleicht, wo er
wohnt?«, frage ich.
    »Nein, aber er hat mir erzählt, dass er nur auf der Durchreise in
Athen ist und in zwei Tagen wieder abfährt.«
    »Aha, dann wär’s das. Ich bin bloß vorbeigekommen, um nachzufragen,
ob Sie sich vielleicht doch noch an etwas erinnert haben, das Sie mir
telefonisch noch nicht durchgeben konnten.«
    »Wie gesagt, habe ich gerade andere Dinge im Kopf.«
    »Na gut, aber wenn Ihnen doch noch was einfällt, denken Sie dran,
mich zu kontaktieren.«
    »Ja, ich rufe Sie an. Ihre Nummer habe ich ja.« Er deutet auf meine
Visitenkarte, die vor dem Fernseher auf dem Tischchen liegt.
    Völlig unerwartet hat sich ein Türchen geöffnet. Als ich Chomatas’
Souterrain verlasse, bin ich so aufgeregt, dass mir nicht mehr einfällt, wo ich
den Seat abgestellt habe. Eine ganze Weile irre ich durch die umliegenden
Straßen mit ihren Wohnblocks, bevor ich ihn endlich wiederfinde.
    Nassiotis hatte mir am Morgen erzählt, dass er in Taormina und
danach in Rom war, obwohl er sich in Wirklichkeit in Athen aufhielt. Wer sagt
mir denn, dass er nur auf der Durchreise war, wie er Chomatas erzählte, und
nicht schon die ganze Zeit in Athen? Wenn man entsprechende Vorsichtsmaßnahmen
trifft, ist es nicht schwer, in einer Großstadt unterzutauchen. Und da
Nassiotis seinen ständigen Wohnsitz in Deutschland hat und nur sporadisch nach
Athen kommt, hat er hier keinen großen Bekanntenkreis. Die Gefahr, dass ihn
jemand erkennt, besteht daher kaum. [386]  Was beweist denn schon, dass er in
Italien ist? Sein deutsches Festnetztelefon vielleicht, wo immer gleich der AB anspringt, oder sein deutsches Handy, auf dem er
immer erreichbar ist und angibt, er befinde sich in Italien? Das will nicht
viel heißen. Vielleicht geht er einfach an sein deutsches Handy und behauptet,
in

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