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Zahltag

Zahltag

Titel: Zahltag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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bezeichnete.«
    Sie erhebt sich von ihrem Sessel und signalisiert damit das Ende
unserer Unterredung. »Ich habe Ihnen alles gesagt, Herr Kommissar. Keine
Ahnung, ob Ihnen das weiterhilft, aber ich habe Ihnen nichts verheimlicht.«
    »Wer benachrichtigt die beiden Töchter?«, frage ich noch.
    Sie zuckt mit den Achseln. »Wie gesagt, habe ich keinen Kontakt mehr
zu ihnen. Das sollte jemand aus Thanos’ Verwandtschaft, Anna oder auch die
Polizei übernehmen. Ich jedenfalls nicht«, ergänzt sie entschieden.
    Ausgeschlossen, dass ihn die Petropoulou umgebracht hat, denke ich
mir, als ich die Dimitsanas-Straße wieder hinuntergehe. Kann sein, dass sie –
wie sie selbst zugibt – ihm den Tod gewünscht hat. Aber dann hätte sie sich
diesen Wunsch schon vor zwölf Jahren erfüllt, und nicht erst jetzt, da sie mit
ihrem zweiten Mann längst ein neues Leben angefangen hat.
    Auf meinem Schreibtisch liegt eine Notiz, ich möge mich umgehend bei
Gerichtsmediziner Stavropoulos melden.
    »Wir haben das Gift«, triumphiert er, sobald ich ihn an der Strippe
habe. »Er wurde mit Schierling getötet.«
    »Wie bitte?«
    »Ja, genau wie Sokrates. Nur dass man dem Philosophen den
Schierlingsbecher reichte, Korassidis das Gift jedoch injizierte.«
    »Und wo kriegt man das – Schierling?«
    Er lacht auf. »Machen Sie Witze? Conium maculatum oder der Gefleckte Schierling kommt überall in [62]  Griechenland vor. Er
ist so verbreitet wie die wilden Endivien, die unsere Mütter früher gesammelt
haben. Gering dosiert hat er heilende Wirkung, in größeren Mengen ist er tödlich.
Aber das beschreibe ich alles ausführlich in meinem Gutachten.«
    »Tun Sie das, wenn Sie wollen, ist aber nicht weiter nötig. Was Sie
mir gerade gesagt haben, reicht mir voll und ganz. Das Einzige, was ich noch
wissen muss, ist der Todeszeitpunkt.«
    »Zwischen sieben und elf Uhr abends. Wenn Sie bedenken, dass das
Gift etwa zwei Stunden braucht, um seine Wirkung zu entfalten, muss man es ihm
zwischen fünf und neun Uhr gespritzt haben.«
    Toll, sage ich mir. Jemand tötet Korassidis, ganz wie Sokrates, mit
Schierlingsgift und legt dann die Leiche auch noch auf dem Kerameikos-Gelände
ab. Ich weiß zwar nicht, ob Sokrates dort auch begraben liegt, doch die
Symbolträchtigkeit der ganzen Inszenierung, die auch schon der Leiter des
archäologischen Dokumentationszentrums Merenditis bemerkt hat, ist nicht mehr
zu übersehen. Ein Besuch bei Merenditis könnte weitere Fragen klären, doch
zunächst haben andere Dinge Vorrang. Denn Symbolik hin oder her, jeder Kollege,
der ein Hühnchen mit Korassidis zu rupfen hatte, könnte ihm die
Schierlingsspritze verpasst haben. Dasselbe gilt für alle möglichen Hehler, mit
denen er Geschäfte machte und mit denen er sich möglicherweise überworfen
hatte. Oder für alle möglichen Kunstsammler, die in ihm einen Konkurrenten
sahen. Nun, all das eröffnet zwar ein weites Feld unterschiedlicher Motive,
engt den Täterkreis aber immerhin schon ein wenig ein.
    [63]  Somit habe ich zwei dringende Fragen zu klären: Erstens, wo wurde
Korassidis getötet? Und zweitens, wie hat der Täter die Leiche zum Kerameikos
geschafft? Gut, bis zum Friedhof hat er ihn mit dem Auto gebracht, aber wie
weiter? Da man mit dem Wagen nicht aufs Gelände kann, musste er ihn auf eine
andere Art und Weise bis zur Grabstele transportieren. Eine Tatzeit gegen neun
Uhr abends würde zum Transport des Toten an den Fundort gegen elf Uhr passen,
da die Gegend dann wie ausgestorben ist und sich der Täter ungestört zu
schaffen machen konnte.
    Bevor ich Feierabend mache, rufe ich meine drei Assistenten in mein
Büro. Vlassopoulos trage ich auf, Frau Anna für den nächsten Morgen zur
Vernehmung einzubestellen, und Dermitsakis, die Umgebung des Kerameikos nach
Augenzeugen abzuklappern, die möglicherweise einen Wagen bemerkt oder auch eine
Person beim Schleppen einer schweren Last beobachtet haben. Koula ersuche ich,
alles andere stehen- und liegenzulassen und ihre ganze Internetrecherche auf
Korassidis zu konzentrieren.

[64]  8
    Heute verlasse ich die Dienststelle ein wenig früher als
sonst – zum einen, weil ich mich hundemüde fühle, zum anderen, weil ich der
Journalistenmeute entgehen möchte, die über mich herfallen wird, sobald
verlautet, dass ein prominenter Arzt ermordet wurde. Zu Hause angekommen, höre
ich die Stimmen von Katerina und Adriani aus dem Wohnzimmer. Die Freude, meine
Tochter nach längerer Zeit endlich wiederzusehen, erhält

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