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Zahltag

Zahltag

Titel: Zahltag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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überlegt, bis ich mir schließlich sagte: ›Agapios, ist dir dein
Leben keine 300000 Euro wert?‹ Andere müssen in Entführungsfällen [180]  eine
Million und mehr hinblättern. Da bin ich mit meinen 300000 ja noch günstig
davongekommen.«
    Wie typisch für griechische Emporkömmlinge, denke ich mir. Wenn man
ihn auf der Straße ohne sein Edel-Polo-Shirt sähe, würde man ihn glatt für
einen Landwirt oder Tagelöhner halten. Doch er macht, ohne mit der Wimper zu
zucken, innerhalb eines einzigen Tages 300000 Euro locker.
    »Wieso haben Sie sich nicht an uns gewendet?«, fragt Vlassopoulos.
    Polatoglou wirft ihm einen arroganten, gelangweilten Blick zu. »Mein
Lieber, hätte ich nicht zahlen, sondern beschützt werden wollen, wäre ich zur
Polizei gegangen, und zwar direkt zum Revierleiter in Pallini. Dem hätte ich
ein Geldbriefchen mit fünf Tausendern zugesteckt, und dann wäre ich ins
Personenschutzprogramm aufgenommen und Tag und Nacht bewacht worden.«
    »Lassen Sie die Spielchen, Polatoglou«, sage ich knapp. »Okay,
überall wird geschmiert, aber das heißt nicht, dass wir durch die Bank
bestechlich sind. Und erklären Sie mir jetzt nicht, dass die Ausnahme die Regel
bestätigt.«
    Doch er zeigt sich von meiner strengen Miene unbeeindruckt. »Wissen
Sie, wie man mich nennt?«, fragt er. »›Ölscheich‹, weil ich mich so gut darauf
verstehe, das Getriebe zu schmieren.«
    »Ja, aber dass Sie jetzt die 300000 gezahlt haben, ist ein
Eingeständnis, dass Sie Steuern hinterzogen haben.«
    »Eingeständnis? Ich hab nicht gezahlt, weil ich Steuerschulden
hatte, sondern um mein Leben zu retten.«
    »Also gut, das kaufe ich Ihnen ab«, meint Vlassopoulos. [181]  »Aber
werden Sie das Geld zurückverlangen, wenn wir den Mörder kriegen?«
    Polatoglou blickt uns an und grinst vom einen Ohr zum anderen. »Ihr
werdet ihn nicht kriegen«, sagt er. »Das ist der Grund, warum ich mich nicht an
euch gewandt habe, deshalb hab ich auch dem Revierleiter die fünf Tausender
nicht zugesteckt. Das wird man zu verhindern wissen.«
    »Wer wird das zu verhindern wissen?«, frage ich baff.
    »Na, der Staat«, antwortet er wie aus der Pistole geschossen.
    »Und wieso sollte der Staat das nicht zulassen?«, fragt nun auch
Vlassopoulos, der ebenso entgeistert reagiert wie ich.
    »Weil der Staat hinter alldem steckt. Der lässt einfach ein paar
Typen umbringen, damit die Übrigen Angst kriegen und ihre Steuern zahlen. Keine
Ahnung, ob jetzt der Mörder einer von euch, vom Griechischen Nachrichtendienst
oder irgendein angeheuerter rumänischer Killer ist. Eins ist jedenfalls sicher:
Ihr kriegt ihn nicht.«
    »Sind Sie noch bei Trost?«, rufe ich außer mir. »Der Staat soll
seine eigenen Bürger umbringen, um Steuern einzutreiben?«
    »Also, jetzt mal ganz langsam, zum Mitschreiben«, erklärt er
gelassen. »Ich habe, so wahr ich hier sitze, rings um den Marathonos-Boulevard
ein Haus nach dem anderen hochgezogen. Nun wirft man mir vor, das wäre alles
illegal gewesen: auf von Waldbränden zerstörtem Land, in Forstgebieten, auf
Baugründen in Staatsbesitz. Ich behaupte ja gar nicht das Gegenteil. Aber ich
habe vielen Menschen Arbeit gegeben, ich habe eine Menge Baumaterial und
Maschinen [182]  gekauft, die Käufer meiner Häuser haben Kredite aufgenommen, an
denen die Banken gut verdient haben. Das nennt man Wachstum, mein Lieber. Warum
ist denn der Staat all die Jahre nie zu mir gekommen und hat gesagt: ›Also hör
mal, du baust auf Grundbesitz, der aufgeforstet werden soll, in Waldgebieten
und auf öffentlichem Boden. Das ist illegal. Daher nehme ich es dir weg und
lasse alles einreißen.‹ Warum hat man keinen Ton gesagt? Weil auch der Staat
das bis gestern für Wachstum hielt und beide Augen zugedrückt hat. Jetzt
könnten Sie mir sagen: Dieses Wachstum war eine Mogelpackung. Richtig, aber wie
sollte es denn anders sein, wo doch der griechische Staat selbst eine
Mogelpackung ist?«
    »Und warum sollte der Staat jetzt seine Meinung ändern?«, wundert
sich Vlassopoulos.
    »Weil all seinen Vertretern der Arsch auf Grundeis geht«, meint er.
»Deshalb hat man sich diese Lösung einfallen lassen. Zwar sind sie bestimmt
nicht von selbst darauf gekommen, sondern andere haben es ihnen eingeflüstert.
Wie sollten diese Weicheier auch von allein auf so etwas kommen?«
    »Wer hat sich denn Ihrer Meinung nach das alles ausgedacht?«, frage
ich, weil ich gespannt bin, was Polatoglou sonst noch für Ansichten auf Lager
hat.
    »Na, diese

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