Zahltag
haben einen Pakistaner aufgetrieben, der etwas
beobachtet hat.«
»Wo seid ihr jetzt?«
»Im alten Kafenion auf dem Avyssinias-Platz. Wir spendieren ihm
gerade einen Kaffee, um ihn zu beruhigen. Bei unserem Anblick hatte er als
Illegaler sofort die Hosen voll.«
»Bringt ihn zur Vernehmung auf die Dienststelle. Ich bin gleich da.«
Dann kehre ich in den kleinen Saal zurück und sehe das Video
zusammen mit den anderen zu Ende. »Könnt ihr damit etwas anfangen, Leute?«,
fragt Merenditis seine Mitarbeiter am Ende der Vorführung.
Die beiden Männer blicken sich unschlüssig an, doch die junge Frau
meint, ohne zu zögern: »Das müssen Ausschnitte aus einem von Nassiotis’ PR -Filmen sein.«
»Wer ist Nassiotis?«, frage ich.
»Ein Deutschgrieche, der sich auf die Präsentation archäologischer
Stätten spezialisiert hat«, erläutert mir [170] Merenditis. »Maria hat recht. Es
sind tatsächlich Passagen aus Nassiotis’ Filmen.«
»Wissen Sie, wo ich ihn finden kann?«
»Er lebt in Deutschland«, antwortet Maria. »Soweit ich weiß, ist er
nur für die Filmaufnahmen angereist. Dann ist er nach Deutschland
zurückgekehrt, hat die Filme fertiggestellt und sie uns dann geschickt.«
»Irgendwo muss ich seine Telefonnummer haben«, sagt einer der beiden
Männer und erhebt sich, um nachzusehen. Kurz darauf kommt er mit zwei Nummern
wieder.
»Die erste ist seine Festnetz-, die zweite seine Handynummer. Auf
dem Festnetz brauchen Sie es gar nicht erst zu probieren, dort springt immer
nur der Anrufbeantworter an, da Nassiotis ständig irgendwo in Europa unterwegs
ist und von einer archäologischen Stätte zur anderen reist. Aber mobil können
Sie ihn immer erreichen.«
»Wie könnte sich jemand Zugriff auf diese Videos verschaffen?«,
frage ich Merenditis.
»Nichts leichter als das«, lautet die Antwort. »Viele davon gibt es
in Museumsshops oder in Souvenirläden. Der Betreffende brauchte bloß eins zu
kaufen.«
Der Mörder hat also die Videos erworben und sie in seinem Sinne
montiert. Vom Filmschnitt verstehe ich zwar nichts, aber für solche Fragen habe
ich ja Koula. Daher ist es weder besonders eilig noch zwingend notwendig, mit
Nassiotis Kontakt aufzunehmen.
[171] 22
Erst im Büro meiner Assistenten komme ich wieder zu Atem.
Ein dunkelhäutiger Mann sitzt verschreckt auf einem Stuhl und blickt
misstrauisch um sich. Bei meinem Anblick zuckt er zusammen.
»Da haben wir ihn«, meint Dermitsakis.
»Einen Augenblick.«
Koula ist mir im Moment wichtiger. »Sagen Sie mal, Koula, Sie wissen
doch so gut Bescheid. Kann man ein Video am Computer schneiden?«
Angesichts meiner Unbedarftheit lacht sie auf. »Nicht nur Videos,
sondern ganze Spielfilme, Herr Kommissar. Die meisten Filme werden heutzutage
digital geschnitten. Die Montage ist wesentlich präziser und noch dazu viel
günstiger.«
Der Mörder musste also nur zwei DVD s
kaufen, sich an seinen Rechner setzen und sein eigenes Video zusammenstellen.
Bislang haben wir nur nach dem Schierling gefahndet. Jetzt kommt noch der
Computer dazu, weil der nationale Steuereintreiber ihn fast wie eine Tatwaffe
benutzt.
Nun eskortieren wir den Pakistaner in mein Büro: Ich bilde die
Vorhut, hinter mir kommt der Pakistaner, und Dermitsakis folgt als Schlusslicht.
»Setz dich«, sage ich zum Pakistaner, um ihm Vertrauen einzuflößen.
[172] »Macht nix, geht auch im Stehen.«
»Keine Angst, wir wollen dich nicht ausweisen. Du sollst uns nur
erzählen, was du gesehen hast.«
»Ich kommen von Ermou-Straße, dann in Melidoni-Straße, beim
Kerameikos.«
»Und du hast jemanden beobachtet, der Fotos gemacht hat?«
»Ja, aber vorher noch was anderes.«
»Was denn?«
»Ein Mann, der von Bäumen rüberkommt.«
»Von der Kirche?«
»Ja. Der Mann zieht –«, er sucht nach dem passenden Wort , »big bundle«, ergänzt er dann auf Englisch, »very big.«
»Was meinst du mit bundle ?«, fragt
Dermitsakis. »Einen Sack?«
» Yes, Sack. Eine große Sack der Mann
schleppt. Dann er bleibt stehen und öffnet die Sack. Holt was raus und macht
Foto mit Blitz.«
»Was hat er dann getan?«, frage ich.
»Dann er nimmt leere Sack und geht zu Bäume, wo er hergekommen ist.«
»Hat er sofort fotografiert, nachdem er den Sack aufgeschnürt
hatte?«
Er denkt darüber nach. Dann geht er die Abfolge noch einmal im
Einzelnen durch, um sie sich in Erinnerung zu rufen. »Zuerst er öffnet Sack,
dann er zieht daran, dann er sich bückt, dann er macht Foto.«
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