Zahltag
haben.
Phidias, Perikles, Sokrates – wir sterben, um nicht länger erdulden zu müssen,
was eure Nachfahren uns antun.
Adieu,
Marina und Jannis
Nun stehe ich mit dem Abschiedsbrief in der Hand da und weiß
nicht, wohin damit. Soll ich ihn hierlassen oder lieber mitnehmen? Schließlich
hefte ich ihn wieder an die ursprüngliche Stelle. Da der Abschiedsbrief nicht
an die zeitgenössischen, sondern an die antiken Griechen gerichtet ist, habe
ich kein Recht, ihn an mich zu nehmen.
»Herr Kommissar, diese Sache darf auf keinen Fall an die
Öffentlichkeit dringen«, hebt Konstantinidis erneut an, als wir den antiken
Tempel verlassen.
»Das wird sich kaum machen lassen, Herr Konstantinidis, aber es
handelt sich ja nicht um Mord, sondern um Selbstmord. Die beiden hätten sich
auf einer öffentlichen Toilette, in einem Zimmer oder im Stadtpark umbringen
können. Aber sie haben es auf der Akropolis getan, und zwar aus einem ganz
bestimmten Grund.«
[190] »Trotzdem, wenn sich das herumspricht, sinken unsere
Besucherzahlen. Und das in einer Zeit, wo wir es uns nicht leisten können, auch
nur einen einzigen Touristen zu verlieren. Etliche Athenbesucher werden die
Akropolis aus ihrem Programm streichen. Viele Leute sind abergläubisch und
lassen sich von so unerfreulichen Ereignissen abschrecken.«
»Haben Sie den Abschiedsbrief gelesen?«
»Ja, sicher. Gleich nachdem man sie gefunden hatte.«
»Wir beide, Sie und ich, zählen zu diesen Nachfahren, wenn Ihnen das
noch nicht aufgefallen sein sollte«, sage ich zu ihm und mache mich auf den Weg
zu meinem Seat, der am Fuß des Burgfelsens auf mich wartet.
Die Zeiten können tatsächlich nur noch schlimmer werden.
[191] 25
Zur Dienststelle kehre ich mit dem übersteigerten Aktionismus
eines Menschen zurück, der etwas Schockierendes erlebt hat und händeringend
nach einer Beschäftigung sucht, um darüber hinwegzukommen. Doch mit den
Ermittlungen sind wir in einer Sackgasse gelandet, aus der ich keinen Ausweg
weiß. Das Einzige, was ich im Moment tun kann, ist, diesen Nassiotis anrufen,
der die PR -Videos zu den betroffenen
archäologischen Stätten angefertigt hat. Das ist zwar nur eine Formalität zur
Vervollständigung der Ermittlungsakte, muss aber auch erledigt werden.
Doch Lambropoulos’ Anruf kommt mir dazwischen. »Bei mir im Büro
sitzt gerade Spyridakis. Wir haben ein paar Hinweise gefunden, die Sie
interessieren werden. Wann wollen wir sie durchgehen?«
»Sofort, aber am besten in Gikas’ Anwesenheit. Ich frage schnell
wegen eines Termins bei ihm an und melde mich dann zurück.« Gikas erfährt
besser alles aus erster Hand.
»Er ist sehr beschäftigt. Ich bezweifle, dass er Sie empfangen
kann«, höre ich Stellas kühle Stimme am Apparat.
»Sagen Sie ihm, dass neue Fakten vorliegen. Und wenn Sie dann immer
noch meinen, er hätte keine Zeit, rufe ich direkt bei ihm an.«
Sie meldet sich umgehend zurück und gibt mir steif und mit spröder
Stimme bekannt, dass er uns sofort sehen will. [192] Ich gebe Lambropoulos
Bescheid, und kurz darauf sitzen wir alle drei im Büro des Kriminaldirektors.
»Gute oder schlechte Neuigkeiten?« Mit dieser Frage eröffnet Gikas
das Gespräch, sobald wir am Konferenztisch Platz genommen haben.
»Weder noch. Wir haben ein paar Hinweise gesammelt, die uns bei den
Ermittlungen weiterhelfen und Ihnen ermöglichen könnten, dem Minister von Fortschritten
zu berichten«, entgegnet Lambropoulos, der ihn genauso gut kennt wie ich.
Bei der Aussicht auf positive Berichterstattung beim Minister setzt Gikas
sich auf.
»Ich höre.«
»Zunächst einmal haben wir herausgefunden, auf welchem Weg der Täter
in die Steuersoftware Taxis eingedrungen ist«, beginnt Lambropoulos.
»Die Sicherheitslücke lag leider in unserem Bereich«, ergänzt
Spyridakis mit betretener Miene. »Wir haben natürlich sofort die Codes geändert
und denken jetzt sogar daran, das ganze Sicherheitssystem umzukrempeln.«
»Schon richtig, aber das will noch nicht viel heißen«, schaltet sich
Lambropoulos ein. »Wir haben zwar die eine Lücke geschlossen, aber er kann
anderswo genauso gut zuschlagen. Der Typ muss ein genialer Hacker sein.«
»Wie groß ist der entstandene Schaden? Können Sie das abschätzen?«,
fragt Gikas Spyridakis.
»Nicht genau. Er kann nicht allzu oft ins System eingedrungen sein,
aber wenn er sich nachts oder am Wochenende eingeloggt hat, dann hat er wohl
wesentlich mehr Daten geklaut als nur die seiner bisherigen Opfer. Durchaus
Weitere Kostenlose Bücher