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Zahltag

Zahltag

Titel: Zahltag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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gerissene Merkel!«
    »Die Merkel hat also der griechischen Regierung empfohlen, die
eigenen Bürger umzubringen, um sie zu braven Steuerzahlern zu erziehen?«
    »Woher stammt die Merkel?«, fragt er zurück.
    »Na, aus Deutschland.«
    »Ja, aber aus der DDR . Wissen Sie, was
das heißt?«
    [183]  »Ich habe in der Juntazeit meinen Schulabschluss gemacht und bin
dann zur Polizeischule gegangen. Ich weiß, wovon Sie reden.«
    »Na, sehen Sie. Aber eins kann ich Ihnen sagen, mein Lieber: Als ich
unter der Junta beim Internationalen Straßengütertransport gearbeitet habe,
haben mir die deutschen Lkw-Fahrer Folgendes erzählt: Wenn man sich in der DDR nur mit der rechten Hand die Nase kratzte, wurde
man gleich als US -Spion hingerichtet.
Dementsprechend hat die Merkel zu unseren Politikern gesagt: Macht ruhig ein
paar kalt, damit die Übrigen Angst kriegen und schnell aufs Finanzamt laufen.
Die hat sich gedacht: Warum soll ich das Geld der deutschen Steuerzahler nach
Griechenland pumpen? So ist sie auf diese Lösung verfallen, die sowohl unseren
Politikern als auch ihr selbst von Nutzen ist.«
    »Es gibt uns ja nicht allein Deutschland Geld. Und die Merkel war,
soweit ich weiß, Regimegegnerin.«
    »Kann sein, aber wir Griechen sind ein weises Volk und haben für
jede Gelegenheit das passende Sprichwort.«
    »Und das wäre?«
    »Wie der Herr, so ’s Gescherr.«
    Der Zweck unseres Besuchs scheint mir nun doch erfüllt. Polatoglou
ist ganz offensichtlich noch am Leben und nicht länger in Gefahr. Da der
Aufgabenbereich der Polizei an dieser Stelle endet, beschließe ich aufzubrechen.
    »Wenn Sie den Mörder fassen, stelle ich Ihnen zur Belohnung ein
Häuschen hin!«, ruft er mir noch hinterher.
    Als wir in den Streifenwagen steigen, fahren wir nicht gleich los.
Vlassopoulos braucht noch eine kleine Erholungspause, um seinen Ärger
loszuwerden.
    [184]  »Haben Sie gehört, was er uns da aufgetischt hat?«, fragt er,
während er den Motor anlässt.
    »Klar! Dass die Merkel mit Schierlingsgift Steuern eintreibt. Und
dass illegale Bauten und Korruption das Wachstum ankurbeln. Wer nicht schmiert,
schadet der Wirtschaft, weil er die Rezession heraufbeschwört.«
    »Dürfte ich mich einmal kurz versündigen, Herr Kommissar? Wenn mir
noch so einer über den Weg läuft, fange ich wirklich an zu hoffen, dass uns der
Mörder durch die Lappen geht.«
    Er hebt die Hand zum Abschied und rollt langsam die
Dimokratias-Straße hinunter.

[185]  24
    Es gibt kaum Schlimmeres, als wenn man nach der Arbeit
nach Hause kommt und die Stunden bis zum Schlafengehen in quälender Langsamkeit
dahinkriechen. Wenn Adriani und ich nur das Nötigste miteinander sprechen, wir
uns dann vor den Fernseher setzen und uns die Erklärungen der Politiker, die
Querelen zwischen diversen, live geschalteten Diskussionsteilnehmern und die
Expertengespräche anschauen, die weder Interessantes noch Neues zutage bringen.
Da sämtliche Argumente vorhersehbar sind, stürzen sie uns bloß in eine
abgrundtiefe Traurigkeit.
    Genau so war es gestern Abend. Nachdem ich mir Polatoglous
Verschwörungstheorien hatte anhören müssen, kehrte ich nach Hause zurück, um –
in sämtlichen Spielarten und quer durch die TV -Kanäle – den zweiten Akt des Dramas zu erleben, der sich um die entscheidende Frage
drehte: Rettung oder Ruin für Griechenland? Siehst du das Glas halb voll, wie
man so schön sagt, meinst du, es sei noch etwas zu retten. Siehst du es halb
leer, meinst du, der Ruin stehe unmittelbar bevor. Die Sache ist nur die, dass
uns das Wasser unverändert bis zum Hals steht.
    Irgendwann, mitten in der Nachrichtensendung, hielt ich es einfach
nicht mehr aus. »Komm, zieh dich an, wir gehen raus«, sagte ich zu Adriani.
    »Bist du in der Stimmung, essen zu gehen?«
    [186]  »Nein, aber auch nicht in der Stimmung, zu Hause zu hocken und
wie jeden Abend die Krise als Leichenschmaus vorgesetzt zu bekommen.«
    So fuhren wir zu einer Taverne in Kessariani, eine der wenigen, in
die Adriani ohne Widerrede essen geht, da sie die Speisekarte übersichtlich und
das Angebot schmackhaft findet. In der Regel hasst sie Tavernen. Mal knallen
sie einem ein lieblos gebratenes, staubtrockenes Stück Fleisch auf den Teller,
mal bieten sie so raffinierte Gerichte an, dass der Geschmack nicht mehr
authentisch ist, sondern wie geliehen scheint. Genauso wie die Kredite, die Griechenland
in den Abgrund gestürzt haben.
    Wir plauderten über Gott und die Welt, und ich erzählte ihr

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