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Zahltag

Zahltag

Titel: Zahltag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Landkreis Attika angewiesen,
Kontrollgänge durchzuführen«, sagt er ohne Umschweife.
    »Bitte geben Sie mir umgehend Bescheid, es ist dringend.«
    Ich bin schon drauf und dran, im Zuge meiner Informationspflicht zu
Gikas hochzufahren, als mir Koula eine Notiz mit Polatoglous Adresse in die
Hand drückt. Er wohnt in der Filoktitou-Straße in Pallini.
    »Was, noch ein Opfer?«, fragt Gikas, dem die Lektüre des Briefes die
Laune verdorben hat.
    »Das steht noch nicht fest. Bis jetzt liegt uns keine Nachricht von
einem weiteren Opfer vor. Ich habe, um sicherzugehen, die Generaldirektion für
Altertümer gebeten, alle Ausgrabungsstätten zu überprüfen. Vielleicht hat ja
der Mörder noch gar nicht zuschlagen können, und wir kommen ihm zuvor.«
    »Schön wär’s. Was meinen Sie? Soll ich den Minister informieren?«
    Diese Frage zeigt neben Gikas’ Unsicherheit auch, wie sehr ihm die
Sache an die Nieren geht. Unter anderen Umständen wäre es ihm nie in den Sinn
gekommen, mich um Rat zu fragen.
    »Warten wir erst einmal das Resultat der Überprüfungen ab. Taucht
keine Leiche auf, ist Polatoglou vielleicht noch am Leben. Es ist
unwahrscheinlich, dass der Mörder beim dritten Opfer von seinem Muster abweicht
und den Toten plötzlich nicht mehr wie gewohnt auf einer antiken Stätte
platziert. Wir sollten jetzt keine Panik schüren.«
    »Einverstanden, ich warte erst mal ab.«
    Als ich hinunterfahre, läutet mein Handy. »Ich kann [177]  Ihnen
hundertprozentig versichern, dass in den archäologischen Stätten Attikas kein
Toter gefunden wurde«, sagt Efstathiou am anderen Ende.
    Daraufhin weise ich Koula an, Polatoglou anzurufen und ihm
einzuschärfen, dass er sich bis zu unserem Eintreffen nicht aus dem Haus rühren
soll.

[178]  23
    Diesmal habe ich dem Streifenwagen den Vorzug gegeben,
weil ich keine Zeit verlieren darf. Der Verkehr auf der Messojion-Straße
pulsiert allerdings – medizinisch gesprochen – so schwach, dass ich auch mit
dem Seat problemlos vorangekommen wäre. Mit heulender Sirene nähern wir uns
Ajia Paraskevi. Dort erweist sich meine Entscheidung dann doch noch als
richtig, denn die Verkehrsadern sind verstopft und auf der Messojion gibt es
kein Durchkommen mehr: ein Infarkt erster Güte.
    »Was haben denn all diese Leute hier vor? Können Sie mir das
sagen?«, fragt mich Vlassopoulos ärgerlich. »Wäre es ein Samstag, dann könnte
ich es ja noch irgendwie nachvollziehen, aber wo fahren die wochentags alle
hin?«
    »Nach Rafina, zur Fähre. Nach Jerakas, um frisches Brot zu kaufen,
weiß der Geier…«
    »Und wo nehmen die in Zeiten wie diesen den Sprit dafür her?«
    Seine Frage bleibt unbeantwortet im Raum stehen, und wir setzen den
Weg schweigend fort. Mit dem frischen Brot lag ich jedenfalls richtig, denn
hinter Jerakas entspannt sich die Lage.
    Bei Pallini verlassen wir den Marathonos-Boulevard, und kurz darauf
erreichen wir die Filoktitou-Straße. Polatoglous Haus hat zwei Stockwerke und
einen Vorgarten. Es gehört [179]  zu jener Sorte von Schwarzbauten, die mit den
Jahren den Status von Wochenendhäusern erlangt haben.
    Eine mürrische, ungeschminkte Frau öffnet uns die Tür und führt uns
stumm ins Wohnzimmer, wo ein untersetzter Sechzigjähriger in einem Sessel
sitzt. Er muss zu der Sorte Mensch zählen, die selbst in Alaska schwitzen, denn
ihm steht der Schweiß auf der Stirn. Obwohl es draußen kühl ist und nieselt,
trägt er Jeans und eines jener kurzärmeligen Polo-Shirts mit dem Krokodilchen.
Er gibt sich nicht einmal den Anschein von Höflichkeit, sondern verfolgt
wortlos, wie Vlassopoulos und ich auf dem Sofa Platz nehmen.
    Da er die Begrüßung unter den Tisch fallen lässt, erspare auch ich
mir die Einleitungsfloskeln. »Herr Polatoglou, haben Sie vor etwa sechs Tagen
einen Brief erhalten, in dem Sie aufgefordert werden, 300000 Euro Steuern zu
zahlen, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist?«
    »Ja. Das heißt, meine Tochter hat den Brief vorgefunden, da sie am
Computer arbeitet.«
    »Und wie haben Sie darauf reagiert?«
    »Ich hab gezahlt«, erwidert er ohne Umschweife.
    Uns bleibt die Spucke weg, und wir starren ihn fassungslos an. »Sie
haben gezahlt?«, frage ich zurück, da ich meinen Ohren nicht traue. Daraus
erklärt sich, warum er noch am Leben ist.
    »Was hätte ich denn tun sollen, Herr Kommissar? Ich habe im
Fernsehen gesehen, wie es den anderen beiden ergangen ist, die auch
angeschrieben wurden und nicht gezahlt haben. Einen ganzen Tag lang habe ich
hin und her

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