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Zahltag

Zahltag

Titel: Zahltag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Feind.«
    »Und der wäre?«
    »Die ›Dame‹, die uns auf die Welt gebracht hat«, gibt sie prompt
zurück.
    Bei diesen Worten springt Dora auf. »Was soll das?«, fährt sie ihre
Schwester an. »›Die Dame, die uns auf die Welt gebracht hat‹ – das ist unsere
Mutter! Auch wenn wir keinen Kontakt mehr zu ihr haben.«
    Völlig aufgebracht reißt sie die Tür auf und stürmt hinaus. Ich
bedeute Koula, dass sie ihr folgen soll. Petratos’ besorgter Blick wandert
zwischen Thalia und mir hin und her, doch die junge Frau behält die Nerven.
    »Ach, lassen Sie sie doch. Sie dreht eine Runde um den Block und
beruhigt sich wieder«, sagt sie leichthin. »Es gibt ein paar Wahrheiten, die
meine Schwester nur schwer erträgt.«
    Spyridakis blättert peinlich berührt in seinen Notizen herum. »Sagt
Ihnen eine Offshore-Firma namens Ocean Estates etwas?«
    »Nein, noch nie gehört«, antwortet Thalia. »Was haben wir damit zu
schaffen?«
    »Das ist die Firma, der Ihr Landhaus auf Paros gehört.«
    »Wie gesagt, Dora und ich haben von solchen Dingen keine Ahnung.
Selbst die Papiere, die uns Vater ab und an zur Unterschrift vorgelegt hat,
haben wir einfach so abgezeichnet, ohne zu wissen, worum es eigentlich geht.«
    »Also gut, dann sind wir jetzt fertig«, sage ich. »Nur hätte ich
gerne Ihre auswärtigen Adressen, falls noch Fragen auftauchen.«
    »Die kann ich Ihnen geben, Herr Kommissar«, bietet Petratos an.
»Hier ist übrigens noch meine Visitenkarte.«
    [220]  Als wir alle zusammen auf den Flur treten, ist von Dora weit und
breit nichts zu sehen. Thalia schreitet, ohne mit der Wimper zu zucken, mit
Petratos im Schlepptau zum Fahrstuhl. Wenn Thalia ihrem Vater tatsächlich zum
Verwechseln ähnlich ist, kann ich jetzt gut nachvollziehen, warum Korassidis überall
aneckte.
    Ich werfe einen kurzen Blick ins Büro meiner Assistenten und stelle
fest, dass Koula noch nicht wieder zurück ist. Dann verabschiede ich mich von
Spyridakis und kehre in mein Büro zurück.
    Kurze Zeit später taucht Koula auf. »Ich habe Dora zur Cafeteria
hinunterbegleitet und ihr zum Trost einen Mokka spendiert«, erläutert sie mir.
»Unter Tränen hat sie gesagt: ›Meine Mutter fehlt mir.‹«
    »Warum hat sie ihre Mutter nie besucht, wenn sie sie so sehr
vermisst?«
    »Weil ihr der Vater mit Enterbung gedroht hat, sollte sie Kontakt zu
ihrer Mutter aufnehmen.«
    Koula hat verdächtig rote Augen. »Was ist denn mit Ihnen los?«,
frage ich.
    »Ich musste an meine eigene Familie denken. Mein Vater ist ein
ähnliches Scheusal. Mit seinem üblen Charakter hat er meine Mutter ins Grab
gebracht.«
    Ich schicke Koula in ihr Büro zurück, da ich keine weiteren
Gefühlsausbrüche ertrage. Dann versuche ich, mich mit der Erledigung von
Kleinkram abzulenken, um mir darüber klar zu werden, wie ich weiter vorgehen
will. Diesmal jedoch kommt mir Gikas in die Quere.
    »Kommen Sie schnell«, zischt er in den Hörer.
    Kaum trete ich in sein Büro, springt er mir schon ins [221]  Gesicht.
»Sie haben das Unheil herbeigeredet, Kostas«, sagt er. »Bei Ihnen wird man noch
abergläubisch. Bald mache ich lieber einen großen Bogen um Sie.«
    »Was ist denn passiert?«
    »Kaum hatten Sie davor gewarnt, dass der nationale Steuereintreiber
die Neuigkeiten an die Presse durchsickern lassen würde, war es auch schon so
weit! Gerade eben hat mich Papalambrou, der Nachrichtenchef des staatlichen
Rundfunks, angerufen. Man hat ihm eine Liste zukommen lassen, die genau so
aussieht wie die von Spyridakis. Rückfragen bei den anderen Sendern haben
ergeben, dass alle die gleiche Liste erhalten haben. Jetzt fragt er mich, was
er damit tun soll.«
    »Na, auf Sendung gehen«, lautet meine prompte Antwort.
    »Wissen Sie, was dann für ein Chaos losbricht? Dann droht mir die
Versetzung, und Sie können Ihre Beförderung vergessen.«
    »Ich weiß, aber wäre es Ihnen lieber, wenn wir morgen an allen Athener
Strommasten Plakate mit der Namensliste finden? Ganz abgesehen davon, dass er
sie genauso gut ins Internet stellen könnte. Wir haben keine Möglichkeit, ihn
daran zu hindern. Ja, wir sollten es gar nicht tun. Je sicherer er sich im
Sattel fühlt, desto unvorsichtiger wird er, bis er irgendwann den
entscheidenden Fehler macht. Eine andere Hoffnung, ihn zu kriegen, haben wir
nicht.«
    »Ich muss dem Minister Bericht erstatten.« Allein der Gedanke treibt
ihm schon den Schweiß auf die Stirn.
    »Ja gewiss, und erklären Sie ihm, dass wir – bei den Privatsendern
zumindest –

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