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Zahltag

Zahltag

Titel: Zahltag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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zu umarmen. »Alles wird gut,
Mama. Du wirst sehen, das ist die beste Lösung. Wir werden genug Geld
verdienen, um euch Flugtickets besorgen zu können – und dann kommt ihr uns
besuchen.«
    Adriani drückt ihre Tochter an sich und bricht in Schluchzen aus.
    »Nicht, Tränen bringen Unglück«, sagt Katerina zu ihr und beherrscht
sich mit letzter Kraft, um nicht selbst loszuheulen.
    Als wir in den Seat steigen, um nach Hause zu fahren, geht Adriani,
bevor ich auch nur den Motor starten kann, schon auf mich los. Wie immer in
solchen Momenten kühlt sie nun an mir ihr Mütchen.
    »Kein einziges Mal hast du den Mund aufgemacht«, beschwert sie sich.
»Wieder einmal hast du es allein mir überlassen, die Kastanien aus dem Feuer zu
holen. Mir ist schon klar, dass es dir vor lauter Traurigkeit die Sprache
verschlagen hat, aber Schweigen ist auch keine Lösung. In schwierigen Zeiten
muss man Stärke zeigen.«
    »Ja, mir hat es tatsächlich die Sprache verschlagen. Aber [210]  nicht
aus dem Grund, den du meinst. Mir ist etwas anderes nicht aus dem Kopf
gegangen.«
    »Was war denn so viel wichtiger als die Zukunft deiner Tochter und
ihres Mannes?«, schießt sie ihren Giftpfeil ab.
    Ich schildere ihr das Bild der beiden jungen Leute im Parthenon auf
der Akropolis, und als ich geendet habe, starrt sie noch eine Weile wortlos
durch die Windschutzscheibe.
    »Stimmt«, meint sie dann mit kaum vernehmbarer Stimme. »Es gibt noch
Schlimmeres.«
    »Ich wollte dich nicht noch trauriger machen, wir haben schon mehr
als genug Sorgen.«
    »Es war richtig, dass du es mir erzählt hast. Wenn man es so sieht,
können wir eigentlich nur froh sein, wenn unsere Kinder einem solchen Schicksal
entgehen.«
    Stumm kehren wir nach Hause zurück und gehen sofort ins Bett, was
noch lange nicht heißt, dass wir auch auf der Stelle einschlafen. Da sich vor
uns Abgründe auftun und hinter uns ein Sturzbach liegt, wälzen wir uns noch
lange hin und her.

[211]  28
    Gegen zehn Uhr morgens erscheint Spyridakis in meinem
Büro. Ich habe gerade meinen ersten Mokka ausgetrunken, um den Schlaf aus Kopf
und Gliedern zu vertreiben und mein Denkvermögen auf Touren zu bringen.
    »Gestern Abend wäre ich fast ausgeflippt«, meint Spyridakis anstelle
eines Gutenmorgengrußes.
    »Wieso?«
    Er holt ein Blatt Papier aus seiner Aktenmappe und legt es auf
meinen Schreibtisch. »Es ist unfassbar: Innerhalb von zehn Tagen sind gut
sieben Millionen Euro bei den Zahlstellen der Finanzämter eingegangen.«
    »Und Sie glauben, das geht auf das Konto des nationalen
Steuereintreibers?«
    »Was sonst? Oder meinen Sie, die Steuersünder hätten sich plötzlich
auf ihre Pflichten besonnen?«
    Auf der Liste steht:
Ioannis Tamakoglou
350000
Fedon Peletis
450000
Ägäis Immobilien (Sissis Kontis)
800000
Hotelunternehmen Langoussis
900000
Technisches Büro Ioannis Valvis
800000
Software Systems
500000
Sarantos Inosoglou
400000
    [212] 
Tourism Enterprises
800000
Spezialanfertigungen GmbH
700000
Agapios Polatoglou
300000
Lakodimos Consultants
600000
Modekette Doukakis
500000
    »Wir müssen sofort im Internet prüfen, ob er Mahnschreiben an
diese Adressen gepostet hat.«
    »Gestern habe ich gesagt, dass er bestimmt eine Menge Daten
gestohlen hat. Doch nun geht aus der Liste hervor, dass er nicht nur die
systematischen Steuerhinterzieher verfolgt, sondern auch alle, die dem
Finanzamt seit Jahren Beträge schulden und es mit diversen Rechtsmitteln
hinkriegen, die Zahlung immer wieder aufzuschieben.«
    Ich rufe Koula herüber und übergebe ihr die Aufstellung. »Suchen Sie
im Internet, ob Sie Mahnschreiben des nationalen Steuereintreibers finden
können, die an diese Personen oder Firmen hier gerichtet sind.«
    Sieh mal einer an, denke ich mir, die Bezeichnung »nationaler
Steuereintreiber« hat sich bereits als Berufsbezeichnung durchgesetzt.
    »Wie gehen wir weiter vor?«, fragt Spyridakis. »Warten wir erst mal
ab, ob sich unser Verdacht bestätigt?«
    »Gikas informieren wir am besten gleich. Wenn die alle tatsächlich
freiwillig gezahlt haben, dann schmeißt der Finanzminister eine Riesenparty.«
    »Wohl kaum«, meint Spyridakis kühl.
    »Durchaus denkbar, dass sie von Korassidis’ und Lazaridis’ Ermordung
gehört haben und nun rasch ihre Steuerschuld begleichen, bevor auch bei ihnen
ein Mahnschreiben eingeht.«
    [213]  »Ich möchte Sie ja nur ungern enttäuschen, aber die Chancen dafür
stehen eins zu zehn«, rechnet mir Spyridakis vor.
    Dann fahren wir zu einem

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