Zahltag
ist. Daher ist es nur eine Frage der Zeit,
bis er den Fernsehsendern die Liste zuspielt.«
»Ganz meine Meinung«, pflichtet mir Spyridakis bei.
»Dann wird der Minister die undichte Stelle auch nicht bei uns
vermuten«, schlussfolgert Gikas.
Als wir in mein Büro zurückkehren, berichtet Vlassopoulos, dass die
Korassidi-Schwestern bereits in Begleitung ihres Rechtsanwalts auf mich warten.
Ich lasse sie in den Verhörraum bringen und schicke nach Koula, damit sie ihren
Laptop fürs Protokoll mitbringt. Die Vernehmung soll ganz nach den Regeln der
Kunst geführt werden.
Thalia und Dora haben mit ihrem Rechtsanwalt, einem gewissen
Petratos, Platz genommen. Während Koula ihren Computer für die Mitschrift der
Vernehmung vorbereitet, stelle ich ihnen Spyridakis vor.
»Es gibt noch ein paar Ermittlungslücken, was den gewaltsamen Tod
Ihres Vaters anbelangt«, hebe ich an. »Die müssen unbedingt geschlossen werden,
damit wir den Täter dingfest machen können.«
»Dafür sind wir ja hier, Herr Kommissar«, erwidert Petratos.
»Meine erste Frage betrifft Ihr Haus in Ekali«, ergreift Spyridakis
das Wort. »Wenn ich mich nicht irre, läuft die Villa auf Ihren Namen, oder?«
»Richtig, das Anwesen ist im Besitz der Geschwister Korassidi«,
greift Petratos ein.
[217] »Da gibt es jedoch ein Problem«, fährt Spyridakis fort. »Aus
unserer Überprüfung geht hervor, dass Sie das Haus beim Finanzamt nicht
angeführt haben. Besser gesagt, Sie haben überhaupt keine Steuererklärung abgegeben.«
»Hören Sie, von diesen Dingen verstehen wir nichts«, antwortet
Thalia. »Wir wohnen beide im Ausland. Unser Vater hat sich um alle Steuerfragen
gekümmert. Also müssen Sie seinen Steuerberater fragen.«
»Das haben wir getan, und der hat uns bestätigt, dass er nur die
Steuererklärung Ihres Vaters angefertigt hat.«
»Und, was erwarten Sie jetzt von uns?«, blafft Thalia Spyridakis an.
»Sie sind doch beide volljährig und stehen nicht unter der
Vormundschaft Ihres Vaters«, schalte ich mich zum ersten Mal in das Gespräch
ein. »Wenn hier irgendeine Gesetzwidrigkeit vorliegt, dann sind Sie selbst
dafür verantwortlich.«
»Ich muss mich schon sehr wundern, Herr Kommissar«, sagt Petratos.
»Wenn wir zu Steuerangelegenheiten der Geschwister Korassidi Stellung nehmen
sollen, wieso sind wir nicht aufs Finanzamt vorgeladen worden? Sollte alles
noch beim Alten sein, und das sage ich unter Vorbehalt, weil sich in der
letzten Zeit in Griechenland viele Zuständigkeiten geändert haben, dann ist in
Steuerfragen immer noch das Finanzamt maßgebend, und nicht die Polizei.«
»Der Mörder hat die Tat mit Korassidis’ Steuerdaten begründet. Daher
betreffen sie unmittelbar die polizeilichen Ermittlungen.«
»Warum wird auf dem Thema so herumgeritten? Es liegt vielleicht
keine Steuererklärung vor. Doch schließlich ist das [218] Haus in Ekali der erste
Wohnsitz der Geschwister Korassidi.«
»Beim Erstwohnsitz gibt es eine Größenbeschränkung«, erwidert
Spyridakis. »Eine zweistöckige Villa mit Garten und Swimmingpool ist nicht, wie
möglicherweise andere Hauptwohnsitze, automatisch steuerfrei.«
»Wenn es damit ein Problem gibt, werden wir das mit dem Finanzamt
regeln«, lautet Petratos’ trockene Antwort.
Während Spyridakis den größten Anteil der Vernehmung bestreitet,
mustere ich in der Zwischenzeit die beiden Schwestern. Thalia, die ältere,
behandelt uns von oben herab, als beträfe sie die ganze Sache gar nicht. Dora,
die jüngere, rutscht hingegen nervös auf ihrem Stuhl hin und her und fühlt sich
sichtlich unwohl.
Ich beschließe, Dora anzusprechen. »Ihr Vater war im Besitz einer
großen Gemäldesammlung. Wissen Sie, ob er sich auch für antike Kunstwerke
interessierte?«
»Wenden Sie sich bitte an mich, und nicht an meine Schwester«, fährt
Thalia dazwischen. »Darüber weiß ich besser Bescheid.« Dora macht nicht den
leisesten Versuch, sich gegen die Bevormundung durch die Schwester aufzulehnen.
»Gut, dann beantworten Sie mir die Frage.«
»Nein, mein Vater hatte mit antiker Kunst nichts am Hut, er liebte
nur die moderne Malerei. Ich kann mich nicht erinnern, dass er uns jemals auf
die Akropolis oder zum Poseidon-Tempel nach Sounion mitgenommen hätte.«
»Wissen Sie, ob Ihr Vater Feinde hatte? Ich meine jetzt keine
kleineren Meinungsverschiedenheiten oder irgendwelche alltäglichen Konflikte,
sondern einen Feind, dem Sie einen Mord zutrauen würden.»
[219] »Es gibt nur einen solchen
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