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Zahltag

Zahltag

Titel: Zahltag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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hinuntergestürmt. Die Übrigen rennen hinter ihm her, das Schlusslicht
bildet der Assistent. Sifadakis prescht vom Nymphenhügel in die Akteon-Straße,
der Assistent hat ihn inzwischen wieder eingeholt. »Der Rucksack liegt immer noch
dort«, keucht er.
    »An alle: Finger weg! Ich will ihn zuerst sehen.«
    [273]  Keuchend hetzen wir die Galatias-Straße hoch, gelangen auf die
Evrysichthonos und daraufhin in die Fyllidos.
    Der Rucksack liegt ein Stück vor uns an der ersten Biegung des
gewundenen Gässchens. Beim Näherkommen wird klar, dass er geöffnet wurde. Als
Sifadakis den Rucksack durchsucht, entnimmt er ihm sämtliche Geldscheinbündel,
bis er zuunterst auf den vollkommen intakten eingenähten Sender stößt. Der
nationale Steuereintreiber hat genau das getan, was im Plan des Griechischen
Nachrichtendienstes nicht vorgesehen war. Da er davon ausging, dass man ihn
oder seinen Helfershelfer nicht verfolgen würde, hielt er ein Stück entfernt
an. Bevor er den Rucksack in sein Versteck mitnahm, wollte er den Inhalt
überprüfen. Er begnügte sich aber nicht damit, die Geldsumme zu kontrollieren,
sondern inspizierte auch den Boden, wo ihm der Sender auffiel. Daraufhin ließ
er den Rucksack zurück und machte sich aus dem Staub.
    Sifadakis und sein Assistent starren den Rucksack mit einem so
betroffenen Gesichtsausdruck an, als seien sie soeben Augenzeugen eines
Verkehrsunfalls geworden. Wir andern heften unsere Blicke nicht auf den
Rucksack, sondern auf die beiden EYP -Experten.
    »Wie recht Sie doch hatten, Kostas«, sagt Gikas lautstark zu mir, so
dass Sifadakis ihn auf jeden Fall hört. »Der nationale Steuereintreiber hat uns
ins offene Messer laufen lassen.«
    »Das war der Grund, warum er den Nymphenhügel vorgeschlagen hat.
Damit wir glauben, dass er sich über die engen Gässchen von Thissio und
Petralona absetzt«, ergänze ich.
    [274]  Sifadakis beteiligt sich nicht an unserem Gespräch, sondern
versenkt sich in die Betrachtung der umliegenden Landschaft. »Irgendjemand muss
den Minister informieren«, stellt er unbestimmt fest.
    »Nein, nicht ›irgendjemand‹, sondern der Griechische
Nachrichtendienst!«, hält ihm Gikas mit Nachdruck entgegen. »Der EYP hatte die Einsatzleitung. Wir waren bloß
ausführende Organe. Schon vergessen?«
    Hat er nicht, da er sein Handy herausholt und sich mit dem
Ministerbüro verbinden lässt. Dann erstattet er vor unseren Ohren korrekt
Bericht über den Ablauf der Ereignisse. Nachdem er aufgelegt hat, wendet er
sich an uns.
    »Sofortige Lagebesprechung beim Minister mit sämtlichen Beteiligten
bis auf Herrn Dolianitis.«
    Hier trennen sich unsere Wege. Sifadakis steuert, den Rucksack im
Arm, in Begleitung seines Assistenten auf seinen Wagen zu, während wir in unser
Fahrzeug steigen.

[275]  36
    Im Angesicht des Misserfolgs schlägt die Stunde der
Wahrheit«, würde Adriani sagen, die eine Schwäche für weise Sentenzen hat.
Diese Erkenntnis zeichnet sich auch auf den Gesichtern all derer ab, die sich
im Büro des Ministers für Bürgerschutz versammelt haben. Der Spitzenpolitiker
selbst trägt einen finsteren und grimmigen Ausdruck zur Schau, der sich in den
Gesichtern der Übrigen widerspiegelt.
    Sifadakis ist mit den Nerven am Ende. Gewiss quält ihn die Frage,
wie er dem Minister seinen Misserfolg erklären soll. Der Polizeipräsident und
Gikas blicken ebenfalls unfreundlich drein. Sie schauen Sifadakis direkt ins
Gesicht, als wollten sie von vornherein jeden Versuch abblocken, dass dieser
die Schuld für den Fehlschlag auf sie abwälzt. Nur Lambropoulos nimmt gelassen
auf seinem Stuhl Platz und mustert die Anwesenden mit unbeteiligter Miene.
    Sollte Sifadakis vorgehabt haben, uns die Erklärungen zu überlassen,
so macht ihm der Minister einen Strich durch die Rechnung. »Können Sie mir
erklären, wie wir dem Täter dermaßen auf dem Leim gehen konnten, Herr
Sifadakis?«
    »Alles war bis ins kleinste Detail geplant«, entgegnet Sifadakis.
»Für uns war unvorstellbar, dass er den Rucksack in einem Seitengässchen
durchsucht! Wir hatten unsere Leute an allen Hauptverkehrsachsen postiert. Jede
Quergasse zu überprüfen übersteigt einfach unsere Möglichkeiten.«
    [276]  »Kostas, Ihre Einschätzung war goldrichtig«, meldet sich
Lambropoulos zu Wort. Da er in zwei Jahren mit dem Dienstgrad des
Abteilungsleiters in Rente geht, hat er vom Minister nichts zu befürchten. Ganz
im Gegenteil, jetzt genießt er seine Position – nach all den Jahren, in denen
er

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