Zahltag
alles hinunterschlucken musste.
Alle bis auf Sifadakis blicken mich an. Nun ist der Polizeipräsident
am Zug, wenn er Lambropoulos nicht die Initiative überlassen will.
»Das ist nicht belehrend gemeint, Herr Minister. Aber solche
Einsätze sind Aufgabe der Polizei und nicht des EYP .
Der Griechische Nachrichtendienst verfügt auf anderen Gebieten über viel
Erfahrung und großes technisches Knowhow. Aber die Polizei weiß einfach besser,
wie sie mit Straftätern umgehen muss.«
»Ja, aber auch der Polizei ist bis heute kein Durchbruch bei den
Ermittlungen gelungen«, fährt ihm der Minister in die Parade und wendet sich
dann an mich. »Ich muss zugeben, dass Sie auf die Gefahren dieses Einsatzes
hingewiesen haben, Herr Charitos. Glauben Sie, dass er den Rucksack selbst
abgeholt hat?«
»Nein, Herr Minister.«
»Das heißt, es gibt einen Mittäter.«
»Das kommt darauf an, wen wir als Mittäter bezeichnen. Heutzutage
würden sich jederzeit Hunderte Freiwilliger melden, um sich auf ein Motorrad zu
setzen, einen Rucksack abzuholen, dann einer bestimmten Route zu folgen und ihn
schließlich – gegen eine respektable Summe – an einem vereinbarten Ort zu
hinterlegen. Ich bin der Meinung, dass er ihm einen Vorschuss gezahlt und den
Rest bei Abgabe des [277] Rucksacks in Aussicht gestellt hat. So gesehen war der
Plan bombensicher.«
»Haben wir das KFZ -Kennzeichen des
Fahrzeugs?«
»Ja, schon. Aber es ist bestimmt gestohlen.«
»Können Sie abschätzen, was er als Nächstes unternimmt?«
»Nicht genau, aber ich kann Ihnen sagen, welche Alternativen er hat.
Erstens könnte er weiterhin die Steuerhinterzieher zur Zahlung drängen, so dass
die gezahlte Steuersumme und damit seine Provision steigt. Das bedeutet: Er
schlägt zu, sobald einer nicht zahlt. Die andere Möglichkeit wäre, dass er sich
auf die Eintreibung der Provision konzentriert und uns mit verschiedenen
Mitteln unter Druck setzt. Diesmal hatte er nicht vor, das Geld
entgegenzunehmen. Er wollte uns nur auf die Probe stellen. Beim nächsten Mal
wird er es vermutlich nehmen. Die dritte Möglichkeit wäre, dass er weitertötet,
um uns zu bestrafen, weil wir versucht haben, ihn reinzulegen.«
»Welche Möglichkeit halten Sie für die wahrscheinlichste?«
»Die zweite. Und hoffentlich liege ich richtig damit.«
»Wieso?«
»Weil es in diesem Fall tatsächlich zu einer Geldübergabe käme. Das
ist die einzige sichere Lösung, Herr Minister. Zuerst erfolgt die Geldübergabe,
und im Anschluss daran versuchen wir den Täter zu fassen. Diese Taktik ist
nicht nur bei Entführungsfällen angesagt.« Diese Spitze gilt Sifadakis, der
wohlweislich den Mund hält, um keine weiteren Standpauken heraufzubeschwören.
»Womöglich nimmt er das Geld und macht im Anschluss seinen Erfolg,
so wie bisher, publik«, meint der Minister.
»Wenn er damit an die Öffentlichkeit geht, erklären wir, [278] die
Geldübergabe habe der Rettung von Menschenleben gedient«, erläutert ihm
Lambropoulos.
Der Minister überlegt kurz. »Einverstanden, ich gebe meinem
Amtskollegen aus dem Finanzministerium Bescheid, die Summe für den Fall, dass
er sich noch mal mit einer Forderung meldet, bereitzustellen. Aber nur, wenn
Sie mir diesmal einen überzeugenden Einsatzplan vorlegen.«
Als wir aufbrechen wollen, tritt die Sekretärin des Ministers herein
und flüstert ihm etwas ins Ohr. »Warten Sie noch einen Moment, der
Finanzminister ist am Apparat«, sagt der Minister und verlässt sein Büro.
»Sie wollten auf eigene Faust vorgehen und sind damit baden
gegangen, Sifadakis«, sagt Lambropoulos. »Das mit der Einsatzleitung wäre schon
okay gewesen, aber war es nötig, uns zu Komparsen zu degradieren, statt auf
Augenhöhe mit uns zu kooperieren?«
Da der Minister in diesem Augenblick zurückkehrt, kommt Sifadakis um
eine Antwort herum. Die Miene des Ministers spricht Bände: Offenbar gibt es
Neuigkeiten, die alles andere als erfreulich sind.
»Es liegt eine Nachricht des nationalen Steuereintreibers an den
Finanzminister vor«, verkündet er in die Runde. »Ich weiß noch nicht, was
drinsteht, aber er wollte sie mir gleich weiterleiten. Bleiben Sie also noch so
lange hier.«
Zwei Minuten später erscheint die Sekretärin erneut und überreicht
ihrem Chef ein Schreiben. Beim Lesen verdüstert sich seine Miene immer mehr,
bis sie schließlich versteinert. »Die Lage ist leider äußerst ernst«, sagt er,
als er zu Ende gelesen hat. »Hören Sie zu.«
[279] Herr Minister,
Sie
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