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Zahltag

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Titel: Zahltag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Bei meinem Eintreffen springt sie auf und kommt auf mich
zu.
    »Ich wollte mich wegen vorgestern entschuldigen«, sagt sie.
    »Sag ihr bitte«, kommt Adriani meiner Antwort zuvor, »dass wir ihr
nicht böse sind. Sie hört mit dem Weinen sonst gar nicht mehr auf.«
    »Aber Sevasti, so etwas kann im Eifer des Gefechts passieren«,
beruhige ich sie. »In der Not rutscht einem schon mal eine spontane Bemerkung
heraus. Deswegen sind wir dir doch nicht böse.«
    »Du hättest hören sollen, was ich meiner Tochter alles an den Kopf
geworfen habe, als sie mir von ihrem Vorhaben erzählt hat«, meint Adriani.
    »Ich habe wirklich nichts gegen Katerina, das schwöre ich. Aber da
ist mir der Kragen geplatzt. Wieso sollten zwei junge Leute mit
Hochschulabschluss nach Afrika auswandern? Gut, sie sind weder die Ersten noch
die Letzten, die so etwas tun. Als damals die Gastarbeiter in Scharen nach
Deutschland gingen, waren die griechischen Dörfer wie ausgestorben. Auch aus
Volos sind viele weggegangen, manche Bauarbeiter haben sich Jobs in Libyen und
Saudiarabien gesucht. Ja, aber das ist nicht dasselbe. Wir haben Opfer [283]  gebracht, damit unsere Kinder studieren konnten. Beide Familien haben es
sich vom Mund abgespart – ihr vom Gehalt eines Polizeibeamten, und wir von den
Einnahmen einer Kurzwarenhandlung und eines Stücks Acker. Und jetzt müssen sie
trotzdem fort!«
    »So weit ist es ja noch nicht. Solange sie noch hier sind, ist noch
nicht Hopfen und Malz verloren.« Meine Worte sind als Trost für Sevasti
gedacht, andererseits helfen sie auch mir, die schwache Hoffnung weiter zu
nähren, die sich auf Sissis’ mögliche Intervention stützt. Sevastis Antwort
geht im Klingeln meines Handys unter.
    »Herrn Kommissar Charitos, bitte«, höre ich eine Männerstimme sagen.
    »Am Apparat.«
    »Hier Dr. Lefkomitros aus dem KAT -Krankenhaus,
Herr Kommissar. Heute Abend wurde ein Patient bei uns eingeliefert, dem ein
Pfeil in der Brust steckte.«
    »Ein Pfeil?«, frage ich fassungslos.
    »Genau. Wie man ihn beim Bogenschießen benutzt.«
    »Wer hat den Verletzten zu Ihnen gebracht?«
    »Seine Frau und sein Sohn. Eine Nachbarin hat das Unfallopfer vor
dem Eingang seines Hauses gefunden. Auf ihr Schreien hin ist die Ehefrau auf
die Straße gelaufen.«
    »Befindet sich der Mann noch im Krankenhaus?«
    »Ja, er ist hier, aber es gibt Komplikationen, Herr Kommissar.«
    »Welcher Art?«
    »Die Wunde ist eigentlich nicht besonders tief. Er wurde an der
rechten Brust getroffen, also nicht auf der Seite des Herzens. Nachdem wir den
Pfeil entfernt hatten, haben wir [284]  den Verletzten stationär aufgenommen, doch
auf einmal begann sich sein Zustand zu verschlechtern. Wir konnten uns diesen
Verlauf nicht erklären, bis die Laborergebnisse vorlagen. Denen war zu
entnehmen, dass die Pfeilspitze mit einem hochwirksamen Gift präpariert war.«
    »Schierling?« Was die Wahl der Waffen noch nicht offenbart hat,
erschließt sich nun durch die Wahl des Gifts.
    Lefkomitros zögert mit der Antwort. »Woher wissen Sie das?«, fragt
er schließlich. Dann folgt eine weitere Pause. »Könnte es sein, dass der
nationale Steuereintreiber…?«, fragt er zaghaft.
    »Es sieht ganz danach aus. Außer, Schierling ist bei den
griechischen Mördern seit neuestem in Mode gekommen. Ich bin gleich bei Ihnen.«
    »Ja, aber ich befürchte, Sie werden ihn nicht mehr lebend antreffen.«
    »Haben Sie seinen Namen und die Adresse?«
    »Moment mal. Ja, hier: Er heißt Loukas Sissimatos und wohnt in der
Doryleou-Straße 8 in Nea Erythrea.«
    Unverzüglich rufe ich die örtliche Polizeiwache an und lasse mich
mit dem Revierleiter verbinden. »Ist bei Ihnen die Anzeige eines Mordversuchs
eingegangen, und zwar in der Doryleou-Straße 8 in Nea Erythrea?«, frage ich.
»Das Opfer ist ein gewisser Loukas Sissimatos.«
    »Nein, davon höre ich zum ersten Mal«, erwidert er überrascht. Im
Anschluss liefere ich ihm eine kurze Zusammenfassung. »Mit einem Pfeil?«, fragt
er entgeistert, als er von der Tatwaffe hört. »Sind Sie sicher, Herr Kollege?«
    »Ganz sicher. Schicken Sie gleich einen Streifenwagen los, um die
Straße abzusperren. Da das Opfer womöglich nicht [285]  mehr lange durchhält, haben
wir es demnächst nicht mehr mit einem Mordversuch zu tun, sondern mit Mord.«
    Nachdem ich aufgelegt habe, rufe ich meine Assistenten an und pfeife
sie aus dem Feierabend. Sie sollen sofort in die Doryleou-Straße fahren,
ebenfalls dafür sorgen, dass die Umgebung

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