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Zahltag

Zahltag

Titel: Zahltag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Haftentlassung nimmt er die Umsetzung seines Plans in Angriff. Zuerst
tötet er Korassidis, dann folgt Lazaridis, danach verschickt er die
Mahnschreiben, bis er schließlich siebenhundertachtzigtausend Euro vom Minister
fordert, um selbst auch auf seine Rechnung zu kommen.
    Da er sich mit Modellen antiker Bauten und Personen befasst, könnte
ihm die Wirkung des Gefleckten Schierlings bekannt sein. Seine Beschäftigung
mit der Antike würde auch [264]  erklären, warum er seine Opfer an archäologischen
Stätten zurücklässt. Nur eine Sache erklärt sich daraus noch lange nicht,
nämlich Chomatas’ Geschicklichkeit im Umgang mit dem Computer. Es kommt mir
unglaubwürdig vor, dass ein Handwerker, der antike Gipsabgüsse herstellt,
dermaßen versiert im digitalen Datenaustausch sein soll. Dennoch vergebe ich
mir nichts, wenn ich ihm einen Besuch abstatte.
    »Wisst ihr, wo dieser Chomatas wohnt?«
    »Am unteren Ende der Mithymnis-Straße. Ich habe seine Adresse drüben
in unserem Büro«, meint Dermitsakis.
    »Gut, dann statten wir ihm einen Besuch ab. Vlassopoulos, du suchst
inzwischen weiter. Vielleicht ergeben sich weitere Anhaltspunkte.«
    Da eventuell ein Besprechungstermin mit dem EYP angesetzt wird, informiere ich Koula, dass ich auf dem Mobiltelefon für Gikas
erreichbar bin. Wir fahren den Alexandras-Boulevard und dann die
Patission-Straße nahezu ungehindert bis zum Amerikis-Platz hinunter.
    »Ist dir aufgefallen, dass es in Athen viel weniger Staus gibt?«,
frage ich Dermitsakis.
    »Ja, und dafür gibt es zwei Gründe«, erwidert er. »Einer ist
dauerhaft und einer vorübergehend.«
    »Und welcher ist der dauerhafte?«
    »Wenn man sich den Kopf zerbricht, wie man die Raten für das Auto
abstottern soll, damit es die Bank einem nicht wegnimmt, beschränkt man seine
Benzinkosten auf das Allernotwendigste. Spritztouren sind gestrichen.«
    »Und was ist mit dem vorübergehenden Grund?«
    »Heute streiken die Taxifahrer, deshalb sind nur halb so viele Autos
unterwegs.«
    [265]  Wir biegen am Amerikis-Platz ab und fahren die Mithymnis bis zur
Acharnon-Straße hinunter. Dabei verkehrt sich die Bevölkerungsstruktur ins
Gegenteil: Der Anteil der Griechen wird immer geringer, und der Prozentsatz der
Zuwanderer steigt. Wie sie da so auf den Treppenstufen der Wohnhäuser sitzen
oder an den Häuserwänden lehnen, muss ich Katerina zustimmen. Was soll man an
den Fällen dieser Recht- und Besitzlosen verdienen? Wer seinen
Aufenthaltsstatus legalisieren möchte, besitzt keinen Cent. Und wer von
Schwarzgeld lebt, will von Rechtsanwälten und Gerichten nichts wissen. Daher ist
es nur konsequent, wenn sich Katerina aufmacht und direkt an der Quelle der
Einwanderungsströme auf Besserung ihrer Lage hofft.
    Chomatas’ Wohnung liegt in einem knapp fünfzig Quadratmeter großen
Souterrain kurz vor der Kreuzung mit der Acharnon-Straße. Als er uns die Tür
öffnet, wird mir sofort klar, dass unser Besuch pure Zeitverschwendung ist. Vor
uns steht ein kleingewachsenes, schmächtiges Männchen Mitte fünfzig. Zwar
könnte er theoretisch den beiden Opfern das Schierlingsgift gespritzt haben,
doch es ist schwer vorstellbar, wie er sie vom Wagen zur Fundstelle geschleppt
haben soll. Unsere einzige Hoffnung ist, dass er irgendetwas weiß oder gehört
hat, das uns weiterhilft. Andernfalls war unsere Mühe vollkommen umsonst.
    Sobald wir uns als Polizeibeamte vorstellen, fängt er an zu
schwitzen, als würde er von Malariafieber gepackt.
    »Was wollt ihr denn schon wieder von mir? Für den Fehler, den ich
gemacht habe, habe ich bezahlt. Ich bin niemandem mehr etwas schuldig«, sagt
er.
    »Keine Angst, wir sind nicht wegen der alten Geschichten [266]  hier.
Wir hätten nur gern ein paar Auskünfte«, erklärt ihm Dermitsakis.
    Anscheinend ist er nach seiner Haftentlassung wieder zu seinem alten
Handwerk zurückgekehrt, denn auf dem Tisch im vorderen Raum stehen
unterschiedliche Statuetten.
    »Herr Chomatas, haben Sie von dem nationalen Steuereintreiber
gehört?«
    Statt einer Antwort kontert er mit einer Gegenfrage: »Was habe ich
denn mit dem zu schaffen?«
    »Ich sage ja nicht, dass es eine Verbindung zwischen Ihnen beiden
gibt. Ich will nur wissen, ob Sie von ihm gehört haben.«
    »Na ja, aus dem Fernsehen eben.« Und er deutet auf ein laufendes
Schwarzweißgerät, das auf einem alten Holztisch steht.
    »Dann wissen Sie ja auch, dass er seine Opfer auf archäologischen
Stätten zurücklässt.«
    »So sagt man, ja.«
    »Haben Sie

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