Zahltag
[311] Steuereintreiber alle antiken Waffengattungen durchprobiert«, spottet die
Dürre. »Bis jetzt hat er Schierling und Pfeil und Bogen verwendet. Was machen
Sie, wenn er morgen mit Speer oder Doppelaxt zuschlägt?«
»Das kann ich nicht ausschließen, doch wir unternehmen alles
Menschenmögliche, um es zu verhindern. Die Festnahme eines Mörders ist immer
eine Frage der Zeit, unabhängig von der Anzahl seiner Opfer. Und eins noch: Stellen
Sie mir keine Fragen, die nur der Herr Polizeipräsident oder der Herr Minister
beantworten können«, füge ich hinzu, um sie loszuwerden.
Sie haben den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden und rüsten sich zum
Aufbruch. Bestimmt rennen sie schnurstracks zum Bürgerschutzministerium in die
Katechaki-Straße, doch ich habe sowohl ihnen als auch dem Minister gegenüber
ein reines Gewissen.
Dann trete ich in mein Büro und lasse die Tür offen stehen. Ich
rechne damit, dass mir Sotiropoulos folgt, und so ist es auch.
»Es ist zwar nicht Ihre Schuld, aber diese Geschichte ist einfach
peinlich, sowohl für die Regierung als auch für die griechische Polizei«, sagt
er.
»Und was soll ich dagegen tun, Sotiropoulos? Soll ich den nationalen
Steuereintreiber anrufen und ihm nahelegen, dass er uns doch bitte nicht zum
Gespött machen soll?«
»Hat er wirklich eine Provision verlangt?«
»Ja, aber fragen Sie mich nicht, wie und wie viel. Darüber weiß der EYP Bescheid, der den Einsatz geleitet hat.«
Da ich die Beförderung ohnehin vergessen kann, sehe [312] ich keinen
Grund, den Leuten vom EYP auch noch Rückendeckung
zu geben.
»Glauben Sie mir, ich kann Ihre Sorgen wirklich nachvollziehen«,
erklärt Sotiropoulos noch, bevor er geht.
[313] 41
Beförderung, die; -, -en: 1.
‹o. Pl.› das Befördern: die B. von Gütern, Waren, Menschen. 2. das
Aufrücken in einen höheren Rang, eine höhere Stellung: die schnelle B. des
Majors, Inspektors; die B. zum Abteilungsleiter, Oberstudienrat; auf B. hoffen,
warten; jmdn. von der B. ausschließen.
Mich betrifft die zweite Bedeutung. Beförderung ist
gleichzusetzen mit Aufstieg und Vorwärtskommen. Doch wer befördert wird, ist –
theoretisch zumindest – ein Emporkömmling, und die Griechen halten von ihrer
Polizei heute dermaßen wenig, dass eine Beförderung zum Kriminalrat kaum als
gesellschaftliches Vorwärtskommen gelten kann. Auch daran wird deutlich, dass
Dimitrakos in einer ganz anderen Epoche lebte.
Das Lexikon verweist von »Beförderung« unter anderem auf
»Förderung«, was schon etwas besser zu meiner Situation passt. Hier treten
Wörter wie Fürsprache, Protektion und Gönnerschaft in den Vordergrund. Sich für
jemanden verwenden, jemandem in den Sattel helfen, jemanden unter seine
Fittiche nehmen – all diese Redewendungen treffen auf Gikas zu. Was nicht
erläutert wird, ist, wie ich ihm dafür danken soll.
Der Wecker, der wie immer an seinem Stammplatz auf [314] dem
Nachttischchen steht, zeigt acht Uhr. Daher schlage ich das Dimitrakos-Lexikon
zu, um gemeinsam mit Adriani die Nachrichten zu schauen. Auf den ersten Blick
wird ersichtlich, dass Sotiropoulos und die Moderatorin keine Neuigkeiten zu
präsentieren haben und versuchen, aus jedem noch so unbedeutenden Detail
Kapital zu schlagen. Sie nehmen den Vizefinanzminister unter Beschuss, der von
seinem Fensterchen aus die Angriffe zu parieren versucht, und setzen alles
daran, ihm doch noch irgendein Zugeständnis zu entlocken.
»Es zirkulieren Gerüchte, dass der nationale Steuereintreiber für
seinen ›unermüdlichen Einsatz zur Füllung der Staatskassen‹, wie er sich
ausdrückt, eine Provision verlangt hat«, sagt die Moderatorin.
»In Zeiten wie diesen wirbeln ständig neue Gerüchte Staub auf, Frau
Fosteri«, erwidert der Minister. »Die Regierung kann sich nicht damit
aufhalten, jede einzelne Meldung zu bestätigen oder zu dementieren.«
»Da haben Sie recht, aber aus vertrauenswürdiger Quelle haben wir
von einem Einsatz des EYP auf dem Nymphenhügel
erfahren«, schaltet sich Sotiropoulos ein. »Aus dem bisherigen Verhalten des
nationalen Steuereintreibers wissen wir, dass er mit Schierlingsgift tötet und
seine Opfer auf archäologischen Stätten zurücklässt. Daher liegt der Schluss
nahe, dass auch die Aktion auf dem Nymphenhügel mit dem nationalen
Steuereintreiber zu tun hatte. Was hätte der Griechische Nachrichtendienst dort
sonst zu suchen? An diesem Ort hat er sich bestimmt keine Verfolgungsjagd mit
ausländischen Agenten
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