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Zahltag

Zahltag

Titel: Zahltag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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geliefert.«
    Der Vizefinanzminister fühlt sich sichtlich in die Enge [315]  getrieben
und greift zur nächstliegenden Ausrede. »Der Griechische Nachrichtendienst
untersteht nicht dem Finanzministerium. Daher sollten Sie sich direkt an den EYP oder an den zuständigen Minister wenden. Bitte
haben Sie Verständnis, dass ich Ihnen dazu gar nichts sagen kann.«
    Die Antwort nimmt Sotiropoulos den Wind aus den Segeln. Da er zudem
genau weiß, dass der EYP der Öffentlichkeit keine
Details über seine Einsätze preisgibt, muss seine Frage unbeantwortet bleiben.
    »Was ist Ihr Eindruck?«, fragt die Moderatorin Sotiropoulos, sobald
sich das Fensterchen des Vizeministers schließt.
    »Wenn Politiker sich für nicht zuständig erklären und sich
gegenseitig die Verantwortung zuschieben, bedeutet das Folgendes: Es ist etwas
im Busch, aber noch nicht spruchreif. Die Vergangenheit hat uns allerdings
gelehrt, dass solche Ausflüchte des Öfteren zum Bumerang werden. Aber die
heutige Situation in Griechenland zeigt uns ja, wie langsam unsere Politiker
dazulernen.«
    »Glauben Sie, dass der nationale Steuereintreiber seine Aktivitäten
fortsetzen wird?«
    »Leider deutet alles in diese Richtung.«
    Während ich die Sendung verfolge, schwanke ich zwischen Freude und
Sorge. Einerseits freue ich mich, dass nichts durchgesickert ist und wir unsere
Ermittlungen fortführen können, ohne andauernd vor den Journalisten Rede und
Antwort stehen zu müssen. Andererseits befürchte ich, dass Sotiropoulos’
Einschätzung stimmt, da bisher kein Mahnschreiben aufgetaucht ist.
    »Ja hat man diesem Steuereintreiber denn tatsächlich Geld gegeben?«,
wundert sich Adriani.
    [316]  »Steuereintreibern gibt man immer Geld, das liegt in der Natur
der Sache«, entgegne ich. »Nur dass der hier es nicht genommen hat.«
    Sie wirft mir einen ungläubigen Blick zu. »Soll das ein Scherz
sein?«
    Ich komme nicht dazu, zu antworten, da es an der Wohnungstür läutet
und Adriani öffnen geht. Ich frage mich, wer uns um diese Uhrzeit besuchen
will, und stehe auch auf.
    Mit Katerina und Fanis habe ich nicht gerechnet, weil sie sonst nie
unangemeldet hereinschneien. Als ich Adriani in die Augen blicke, erkenne ich
dieselbe Angst, die sich auch in meinem Blick spiegeln muss: Sie sind gekommen,
um uns den Tag ihrer Abreise oder zumindest den Termin von Katerinas Abfahrt
anzukündigen. Keinem von uns beiden fällt eine andere Erklärung für diesen
unerwarteten Besuch ein. Trotzdem gelingt es mir, ein freudig überraschtes »Na
so was!« von mir zu geben. Doch Adriani steht der Sinn nicht nach derartigen
Spielchen. Ihr Credo lautet: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken
ohne Ende.
    »Sie sind wohl gekommen, um uns zu sagen, wann Katerina abreist«,
meint sie zu mir.
    »Aber nein, Mama. Wir sind gekommen, um euch zu sagen, dass wir
hierbleiben«, meint Katerina lachend.
    Uns bleibt beiden die Spucke weg. Als ich merke, dass mir die Beine
schwach werden, lasse ich mich aufs Sofa sinken. Adriani findet als Erste die
Sprache wieder. »Du wanderst also nicht aus?«, stammelt sie ungläubig.
    »Nein, Mama. Wir haben die Sache durchdiskutiert und –«
    »Immer schön der Reihe nach, Katerina«, unterbricht sie [317]  Fanis,
»sonst muss ich noch mit zwei Notfällen von akuter Herzinsuffizienz ins
Krankenhaus rasen.«
    Bis Katerina und Fanis Platz genommen haben, können wir uns ein
wenig von dem freudigen Schrecken erholen. Dann beginnt Katerina, den Blick auf
ihre Mutter gerichtet, zu erzählen.
    »Vorgestern wurde mir der Vertrag zur Unterschrift vorgelegt«, sagt
sie zu Adriani, hält jedoch inne, weil sie nach Worten sucht, um ihren
plötzlichen Sinneswandel zu erklären. »Wisst ihr, es sind zwei verschiedene
Dinge, zu sagen: ›Gut, mein Entschluss steht fest: Ich gehe fort‹, oder den
Vertrag vor Augen zu haben und zu wissen, dass man nicht mehr zurückkann,
sobald man unterschrieben hat. Also habe ich ihn mit nach Hause genommen und
Fanis gezeigt.«
    »Ich habe ihr geraten, mit der Unterschrift noch zu warten«, ergänzt
Fanis. »Drei oder vier Tage, bis sie für sich geklärt hat, ob sie wirklich
fortwill.«
    »Ich bin seinem Rat gefolgt, und plötzlich wurde mir klar, dass ich
hierbleiben will. Der Vertrag war sehr vielversprechend, und ich wusste, ich
trete mein Glück mit Füßen, wenn ich nicht unterschreibe. Aber ich wollte
einfach nicht fort.« Sie hält kurz inne, bevor sie schlicht sagt: »Also habe
ich nicht unterschrieben.«
    Adriani

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