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Zahltag

Zahltag

Titel: Zahltag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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beiden ihn mir vorstellt.«
    »Vielleicht habe ich es nicht für nötig gehalten. So eng sind wir
auch wieder nicht befreundet.«
    »Nicht eng befreundet! Wie soll man das denn anders nennen, wenn du
ausgerechnet ihn darum bittest, mit deiner Tochter zu sprechen? Und wo wir auf
Granit beißen, schafft er es, sie umzustimmen! Es ist wie immer zwischen dir
und deiner Tochter: Ihr regelt alles ganz allein unter euch, und ich bleibe
außen vor.«
    »Es ist nicht so, wie du denkst. An dem Abend, als Sevasti und
Prodromos hier waren, hat mich Prodromos dringend gebeten, etwas zu
unternehmen. Und da ich in [321]  meiner Verzweiflung weder ein noch aus wusste,
fiel mir Sissis ein.«
    »Na schön, die Verzweiflung nehme ich dir ab. Aber du hast diese
Freundschaft einfach für dich behalten.«
    »Das ist mir nicht leichtgefallen«, gebe ich zu. »Ich wusste nicht,
wie du darauf reagieren würdest, dass ich als Polizeibeamter mit einem
Kommunisten befreundet bin. Besonders deshalb, weil ich ja weiß, dass der
Bruder deines Vaters im Bürgerkrieg den Linken zum Opfer gefallen ist.«
    Mein Argument scheint ihr einzuleuchten, sie sinnt darüber nach.
»Wir sollten deinen Freund zum Essen einladen«, meint sie schließlich. »Das ist
das mindeste, was wir tun können.«
    »Du möchtest, dass ich Sissis zum Essen herbitte? Im Ernst?«, frage
ich perplex.
    »Aber sicher. Die Kommunisten haben zwar meinen Onkel auf dem
Gewissen, aber jetzt hat ein Kommunist mir mein Kind wiedergegeben. Somit sind
wir quitt«, meint sie und bricht erneut in Tränen aus.

[322]  42
    Ich hatte vor, Sissis am Morgen während des Blumengießens
zu besuchen. Sosehr ich mich auch über Katerinas Entscheidung freute, wurmte es
mich irgendwie, dass es ausgerechnet Sissis gelungen war, sie zu überzeugen, wo
doch alle anderen, egal ob einzeln oder mit vereinten Kräften, gescheitert
waren. Doch wie immer kommt es anders, als man denkt. Um sechs Uhr morgens
reißt mich das Klingeln des Telefons aus dem Schlaf. Ich schnelle aus dem Bett
und haste ins Wohnzimmer, da Adriani den Telefonapparat nicht im Schlafzimmer
duldet, um nicht bei nachtschlafender Zeit durch dienstliche Anrufe geweckt zu
werden. Ich gebe ein verschlafenes »Ja?« von mir und höre Vlassopoulos’ Stimme.
    »Tut mir leid, dass ich Sie in aller Herrgottsfrühe störe, aber wir
haben einen weiteren Toten, Herr Kommissar.«
    »Fundort?«
    »Eine Grünanlage in der Ejialias-Straße in Maroussi.«
    »Wer hat ihn gefunden?«
    »Die Putzkolonne, die morgens den anliegenden Bürokomplex saubermacht.«
    »Weitere Spuren?«
    »Im Körper des Opfers steckt ein Pfeil, aber ich habe noch keine
Informationen darüber, wo genau.«
    »Ruf Dermitsakis an, dann fahrt ihr gemeinsam hin. Ich bin auch
schon unterwegs.«
    [323]  »Der Fundort liegt an der Ecke Theotokopoulou- und
Ejialias-Straße.«
    Ich nehme die Meldung einigermaßen gelassen auf, da ich auf einen
weiteren Mord des nationalen Steuereintreibers innerlich vorbereitet war. Ich
höre den Minister und den Polizeipräsidenten schon sagen, dass ich mit meinen
Weissagungen wieder einmal den Nagel auf den Kopf getroffen habe, aber nicht
imstande bin, den Schuldigen zu fassen.
    Ich kehre ins Schlafzimmer zurück, um mich anzuziehen.
    »Was ist los?«, murmelt Adriani ganz benommen.
    »Der nationale Steuereintreiber macht wieder Jagd auf säumige
Zahler.«
    »Na, wenigstens einer, der nach dem Rechten sieht.« Dann dreht sie
sich auf die andere Seite und schlummert weiter.
    Der Spruch, dass Lachen und Weinen nah beieinanderliegen, ist
absolut zutreffend. Daran muss ich denken, während ich beim Hilton auf den
Vassilissis-Sofias-Boulevard biege. Gestern Abend war die Stimmung
himmelhochjauchzend wegen Katerinas Sinneswandel. Kaum zwölf Stunden später
quäle ich mich wieder mit einem Anschlag des nationalen Steuereintreibers herum
und frage mich, wer ihm diesmal zum Opfer gefallen ist. Wenn ich von
Sissimatos’ Fall ausgehe, müsste es ein Steuersünder sein. Doch nachdem man dem
nationalen Steuereintreiber die geforderte Provision verweigert hat, gibt es
für ihn keinen Grund mehr, die Staatseinnahmen durch Morddrohungen in die Höhe
zu treiben. Jetzt sucht er sich vermutlich andere Opfer, um das
Finanzministerium zur Zahlung der Provision, die ihm seiner Meinung nach
zusteht, zu zwingen. Das heißt, der Tote muss ein gut vernetzter Nutznießer des
politischen Establishments [324]  gewesen sein. All das geht mir durch den Kopf,
während ich durch die

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