Zahltag
sie diesmal
ausbleibt, liegt der Schluss nahe, dass er etwas anderes vorbereitet, um ein
für alle Mal reinen Tisch zu machen.
Auch meine anderen beiden Assistenten haben nichts Nennenswertes zu
berichten. Die meisten Anwohner haben die Szene in der Doryleou-Straße von
ihren Fenstern aus verfolgt und die Ereignisse nicht aus nächster Nähe
miterlebt.
Auf meinem Schreibtisch liegt eine Notiz mit der Aufforderung, mich
bei Gikas zu melden. Ich kündige meinen [302] Besuch bei Stella an, um die gute
Stimmung, die mittlerweile zwischen uns herrscht, weiter zu pflegen.
»Unser Minister möchte uns gleich nach der Tagung des Ministerrats
sprechen. Also erwarte ich Ihren Bericht«, erklärt mir Gikas kurz am Telefon.
Vollkommen zu Recht, wie ich finde, und ich beeile mich, seiner
Bitte zu entsprechen. Er sitzt an seinem Schreibtisch und unterzeichnet diverse
Papiere.
»Irgendwelche Fortschritte?«, will er wissen.
»Kein Licht am Ende des Tunnels«, erwidere ich und liefere ihm einen
detaillierten Rapport.
»Wohin soll das noch führen, Kostas? Sifadakis’ Fauxpas hatte uns
wenigstens eine kurze Atempause verschafft, aber jetzt sind wir wieder dran.
Die werden uns gehörig in die Mangel nehmen, Sie werden schon sehen. Zuerst
wird uns der Minister in die Enge treiben und die Daumenschrauben ansetzen,
dann die Journalisten.«
»Ich weiß, aber ehrlich gestanden: Der Typ ist eine Nummer zu groß
für uns. Er macht einfach keine Fehler bei der Planung und Durchführung der
Morde und weiß exakt, wie er an seine Informationen kommt. Und er hat keine
Mittäter. Dadurch ist er so schwer zu fassen.«
»Aber wenn er alles so minutiös plant, wie wählt er dann seine Opfer
aus? Sammelt er zuerst einmal einfach die verschiedensten Informationen, bevor
er entscheidet, wer als Nächster dran ist?«
»Meiner Meinung nach wählt er zuerst das Opfer aus. Nach
Steuersündern musste er nicht lange suchen. Vergessen Sie nicht, dass das
Finanzministerium immer wieder entsprechende Listen veröffentlicht hat. An
Namen kommt er [303] also spielend heran. Darüber hinaus hat er sich Zugang zu
Taxis verschafft. Sobald er jemanden im Visier hat, intensiviert er seine
Nachforschungen zu dieser Person.«
»Und Sissimatos? Warum hat er ihn ausgesucht? Stand sein Name auf
einer Liste?«
»Nein, der war ja Gewerkschafter, Parlamentarier und als solcher
Nutznießer des politischen Systems. Kann sein, dass die Wahl rein zufällig auf
ihn gefallen ist. Vielleicht hatte er aber auch erste Hinweise und ist der
Sache danach genauer nachgegangen.«
Darauf weiß Gikas nichts zu sagen. Und wenn man nichts zu sagen
weiß, flüchtet man sich in symbolische Gesten. Er schlägt das Kreuzzeichen und
murmelt: »Hat man da noch Worte? Jetzt können wir nur noch auf himmlischen
Beistand hoffen.«
[304] 40
Nachdem uns Sifadakis abhandengekommen ist, nehmen nur
noch der Polizeipräsident, Gikas, Lambropoulos und meine Wenigkeit im
Ministerbüro Platz. Der Minister unterzieht uns alle einer eingehenden
Musterung. Dabei trägt er die Miene eines Politikers zur Schau, der gleich eine
ungeheuer wichtige Erklärung abgeben wird. Dieser Eindruck bestätigt sich auch
prompt:
»Meine Herren, der Ministerrat hat auf Antrag des Premiers
beschlossen, diesem Mörder und selbsternannten nationalen Steuereintreiber die
vom Finanzministerium geforderte Summe nicht zu zahlen. Der Ministerrat ist
sich einig, dass der griechische Staat einem erpresserischen Mörder nicht
nachgeben darf. Zu dieser Entscheidung hat auch die weltweite Erfahrung mit
ähnlich gelagerten Fällen beigetragen. Also liegt es nun an Ihnen, diesen
abscheulichen Gewalttäter in allernächster Zukunft aufzuspüren und
festzunehmen. Wenn ich mir jedoch Ihre bisherigen Leistungen betrachte, muss
ich leider sagen, dass ich es Ihnen nicht zutraue, diese schwere Aufgabe zu
meistern.«
Er verstummt und lässt seinen Blick ein zweites Mal über unsere
Gesichter schweifen, bis er beim Polizeipräsidenten innehält.
»Herr Polizeipräsident, ich fürchte, Sie haben den Fall nicht mit
dem gebührenden Nachdruck verfolgt. Sie haben [305] ihn als Routineangelegenheit
eingestuft und den Ernst der Lage verkannt. Dadurch ist die Situation außer
Kontrolle geraten.«
Er wartet auf eine Reaktion des Polizeipräsidenten, doch als der
stumm bleibt, knöpft er sich den Nächsten vor. »Das gilt auch für Sie, Herr
Gikas. Sie haben Herrn Charitos und seine minimal ausgestattete Abteilung mit
dem Fall
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