Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zahltag

Zahltag

Titel: Zahltag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
Vom Netzwerk:
alle
benötigten Informationen.«
    »Nach welchen Kriterien sucht er seine Opfer aus?«
    »Darüber kann ich nur spekulieren. Man kann nicht ausschließen, dass
er Vertreter bestimmter Berufszweige, wie zum Beispiel die Ärzte, ins Auge
fasst. Vielleicht pickt er jedoch seine Opfer auch aus den
Steuersünderregistern heraus, die das Finanzministerium wiederholt publiziert
hat. Aufgrund seines Zugangs zu Taxis könnten aber auch Steuererklärungen seine
Inspirationsquelle sein.« Ich pausiere kurz, bevor ich fortfahre: »Übrigens
gibt es da noch etwas anderes, das seine Festnahme erheblich erschwert.«
    »Und das wäre?«
    »Er ist ein Einzelgänger, er hat keine Komplizen. Gäbe es welche,
hätten wir vielleicht schon jemanden eruiert. Und dann wäre die Sache
einfacher. Doch ich bin mir sicher, dass er im Alleingang handelt.«
    »Glauben Sie, dass er weitermachen wird?«
    »Also, eine Sache gibt es da, die mich sehr beunruhigt.«
    »Und welche?«
    »Die Tatsache, dass im letzten Fall weder ein Mahnschreiben an das
Opfer noch eine andere Mitteilung im Netz aufgetaucht ist. Mein Gefühl sagt
mir, dass er ein zweites Mal in Aktion treten und dann für beide Taten zusammen
Rechenschaft ablegen will.«
    »Können Sie sich vorstellen, wo er zuschlagen könnte?«
    »Das könnte überall sein, Herr Minister. Vielleicht nimmt er einen
Parlamentarier, einen höheren Staatsfunktionär oder auch einen
Steuerhinterzieher ins Visier, vielleicht auch den Leiter eines Finanzamtes
oder einen Unternehmer. Wenn [309]  wir wüssten, nach welchem Prinzip er seine
Opfer aussucht, hätten wir ihn schon dingfest gemacht.«
    Der schroffe und selbstherrliche Gesichtsausdruck unseres
Ressortchefs hat sich verflüchtigt und ist zu einer ängstlichen Maske geronnen.
»Ich sehe ja ein, dass es nicht leicht ist«, sagt er. »Andererseits kann ich
auch meine Ministerkollegen verstehen, die sich nicht auf den
Erpressungsversuch eines Mörders einlassen wollen. Sie sehen, ich sitze
zwischen zwei Stühlen. Auf der einen Seite sind Sie und Ihre komplexen
Ermittlungen, auf der anderen Seite meine Amtskollegen mit ihren Forderungen.
Ich stehe nicht gerade am glücklichsten Punkt meiner politischen Karriere.«
    Mit dieser Feststellung endet unsere Besprechung. Nachdem wir das
Ministerbüro verlassen haben, lädt uns der Polizeipräsident in seinen
Amtsräumen auf einen Kaffee ein, um den Spießrutenlauf, den wir gerade
absolvieren mussten, noch einmal durchzugehen.
    »Meinen Sie wirklich, dass der Täter ein weiteres Mal zuschlägt?«,
fragt er mich schließlich.
    Ich hebe die Schultern. »Ich kann es nicht beschwören, aber ich
glaube, dass er weitermachen wird, ohne auf eine Geldübergabe zu warten. Darauf
deutet auch der Brief an den Finanzminister hin.«
    »Jede Ihrer Analysen hat bis jetzt ins Schwarze getroffen. Das
Schlimme ist nur, dass Sie den Täter nicht zu fassen kriegen.«
    Gikas und ich schauen uns in die Augen, und sein Blick bestätigt
mir, dass meine Beförderung an einem seidenen Faden hängt.
    Mein persönliches Sahnetörtchen inklusive kandierter [310]  Kirsche
bilden an diesem Tag die Journalisten, die mich im Korridor vor meinem Büro
empfangen. Sie warten gar nicht erst ab, bis ich mein Refugium betrete, sondern
legen schon auf dem Flur mit ihren Fragen los.
    »Stimmt es, dass der Fall des nationalen Steuereintreibers im
Ministerrat diskutiert wurde?«, fragt mich die Stämmige mit den rosa Strümpfen.
    »Das müssen Sie den Premierminister fragen«, blocke ich sie ab.
    »Und stimmt es, dass der nationale Steuereintreiber für die
eingetriebenen Steuern eine Provision verlangt hat?«, fragt mich die Dürre.
    »Von wem soll er sie verlangt haben?«
    »Vom Finanzminister.«
    »Dann müssen Sie ihn das fragen. Die Polizei weiß davon
erklärtermaßen nichts.«
    »Weshalb die ständigen Ausflüchte, Kommissar?«, schaltet sich
Sotiropoulos ein. »Wir wissen doch, dass der EYP vor ein paar Tagen einen Rieseneinsatz auf dem Nymphenhügel organisiert hat.«
    »Für Fragen, die den EYP betreffen,
bin ich nicht zuständig.«
    »Na gut, dann gehen wir zu Fragen über, die Sie beantworten können«,
fährt Sotiropoulos fort. »Seit gestern gibt es einen weiteren Toten. Glauben
Sie, dass auch diese Tat auf das Konto des nationalen Steuereintreibers geht?«
    »Es deutet alles darauf hin.«
    »Sind Sie mit Ihren Ermittlungen vorangekommen?«
    »Vorläufig sichten wir noch die Spuren.«
    »Und bis Sie fertig gesichtet haben, hat der nationale

Weitere Kostenlose Bücher