Zahn, Timothy - Jagd auf Ikarus
Stimme.
Entweder hatte Shawn es nicht gehört, oder es war ihm egal. »Was willst du Kasper denn jetzt noch?«, blaffte er Nicabar an. Er zitterte nun am ganzen Körper, und die Fäuste öffneten und schlossen sich wie Relais in einer instabilen Rückkopplungsschaltung. Aus dem Augenwinkel sah ich auch, dass Ixil etwas näher an ihn herankam. »Ich werde mich nicht hier drin einsperren lassen – ich nicht.«
»Ich weiß, wie du dich fühlst, Junge«, sagte Everett und legte Shawn die Hand auf die Schulter. »Aber er ist nun einmal unser Kapitän …«
»Das ist mir egal«, rief Shawn zornig und schüttelte die Hand mit einem Achselzucken ab. »Ich werde jetzt rausgehen!«
Sprach’s, ballte die Hände zu Fäusten und wollte sich auf mich stürzen.
Er kam aber nicht sehr weit. Ixil fing ihn zur Rechten ab, und Nicabar zur Linken, und jeder von ihnen packte ihn mitten im Flug an einem Arm. Für einen Moment wand Shawn sich in ihrem Griff und stieß Obszönitäten und Drohungen aus, die mit einem Knurren in einer mir unverständlichen Sprache garniert wurden. Bloß waren seine Versuche, sich zu befreien, genauso erfolgreich, als wenn die Ikarus wie eine Kugel an seinem Fußknöchel angekettet gewesen wäre. Ixil und Nicabar hielten ihn fest; und plötzlich brach Shawn ohne eine vorherige Ankündigung in ihrem Griff zusammen und wimmerte leise.
»Bringt ihn rüber«, sagte Everett leise und deutete in Richtung der Krankenstation, während er durch den Gang zurückging. »Ich werde ihm etwas geben.«
Ixil nahm Blickkontakt mit Nicabar auf; der große Mann nickte verstehend, ging hinten um Shawn herum und übernahm seinen anderen Arm von Ixil. Dann folgte er Everett den Korridor entlang, wobei er den stöhnenden Jungen halb schob, halb trug. Schließlich verschwanden sie alle in der Krankenstation, die Tür schloss sich hinter ihnen, und Ixil schaute mich wieder an. »Das war interessant«, sagte er.
»Ist er krank?«, fragte Chort. Der Ausdruck in seinem fremdartigen Gesicht war wie immer nicht zu deuten. »Vielleicht sollten wir ihn in ein voll ausgestattetes medizinisches Center bringen.«
»Wir wollen erst einmal abwarten, was Everett für ihn tun kann«, sagte ich und warf einen Blick auf Tera. Ihr Gesichtsausdruck war auch unergründlich. »Jetzt muss ich aber wirklich gehen. Ich werde so schnell wie möglich wieder zurück sein.«
»Geh nur«, sagte Ixil. »Wir kommen hier schon zurecht.«
Ich ging die Rampe hinunter – wie auf Xathru war die Andockstation auch hier muldenförmig, so dass die Hülle der Ikarus sich zum Teil unter Bodenhöhe befand und mir einen langen Aufstieg ersparte – und weiter zum Rand unserer Landezone. Ein Hochgeschwindigkeits-Gleitweg verlief zwei Landequadranten weiter entfernt; er wurde von zwei kurzen Etagen langsamerer Zubringer-Gleitwege flankiert, und nach einer Minute wurde ich zügig in westlicher Richtung zum Rand des Raumhafens befördert, wo laut Auskunft der Karte das StarrComm- Gebäude sich befand.
Ich stellte fest, dass auf dem Hafen heute ziemlich viel Betrieb war, als ich meine Mitreisenden auf dem Gleitweg mit den gleichen flüchtigen und dezenten Blicken musterte, mit denen auch sie mich betrachteten. In einer großen Menge genoss man zwar auch immer den Schutz einer größeren Anonymität, aber überfüllte Gleitwege bedeuteten oft auch überfüllte StarrComm- Fon-Zellen. Schon bevor wir gelandet waren, hatte ich mir vorgenommen, diesen Zwischenstopp so kurz wie möglich zu halten. Und nach Shawns Vorstellung vorhin hatte dieser Vorsatz sich noch verfestigt.
Es dauerte fast eine Viertelstunde, bis ich das StarrComm- Gebäude erreichte – nur um dann festzustellen, dass meine Befürchtungen allzu begründet gewesen waren. Alle Plätze im Kommunikationszentrum waren belegt, und die ungefähre Wartezeit für eine Fon-Zelle betrug etwa eine halbe Stunde.
Ich versuchte, auf der Warteliste nach oben zu gelangen, aber an einem Ort wie Dorscinds Welt waren die Mitarbeiter der Fon-Zentrale noch viel ernstere Drohungen und massivere Einschüchterungsversuche gewohnt, als ich sie praktizieren wollte. Sie waren deshalb auch nicht bereit, mir irgendwie entgegenzukommen. Also fand ich mich damit ab, nahm die nummerierte Karte entgegen, die sie mir gaben – hier fragte niemand nach Namen und stellte auch keine personalisierten Dokumente aus –, und ging durch die Lobby in die Taverne, die zugleich als Warteraum diente. Es war nicht weiter verwunderlich, dass dieser
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